Die Wahrheit: Nichts stoppt besser als Beton
Auch obskurste Zivilbetriebe wollen plötzlich auf dem rasant wachsenden Rüstungsmarkt mitmischen. Wir haben uns umgehört.
Wir treffen Kalle Kasulke, CEO des Weddinger Poller-Produzenten Kasulke Poller Solutions, vor seinem Firmensitz im Berliner Ortsteil Wedding. „Firmensitz“ meint eine heruntergekommene Garage im dritten Hinterhof, die noch nie bessere Zeiten gesehen hat. Der Unternehmer reibt sich vor Freude die Hände. „Finde ich gut, dass CDU und SPD jetzt endlich in Rüstung investieren, also Fuß weg von der Schuldenbremse. Endlich rambozambo in Sachen Verteidigung. Meine Kumpels, der Drohnen-Ralf und der René mit seinen Marschflugkörpern, stehen schon in der Schlange vor dem Verteidigungsministerium, um Aufträge zu ergattern. Also die Marschflugkörper sind nur übriggebliebene Silvesterraketen, und die Drohnen, na ja, fliegen geht anders, aber in Sachen Wehrfähigkeit wird gerade alles gebraucht, was irgendwie nach Waffe aussieht. Wir Unternehmer spüren die Aufbruchstimmung, jeder will seinen, durchaus patriotischen, Anteil beitragen zur Wehrbereitschaft unseres Landes.“
Kalle Kasulke senkt die Stimme. „Rheinmetall sucht Fabrikationsanlagen, und VW überlegt, Panzer zu produzieren, um gerüstet zu sein, falls der Iwan oder der Ami angreift. Ja, Sie haben richtig gehört, angesichts der Unberechenbarkeit der USA kann es sein, dass nicht der Iwan bei Leipzig steht, sondern der GI bei Aachen.“
Kasulke zeigt eine Auswahl seiner Produkte. Da finden sich Klapppoller, die sich mit einem Spezialschlüssel bedienen lassen, um Rettungsfahrzeugen einen bevorrechtigten Fahrweg freizugeben. Oder Kickback-Poller mit einem Neigungswinkel bis fast in die Waagerechte, die beim Kontakt mit einem Fahrzeug nachgeben und sich danach wieder aufrichten. „Diese Pollertypen“, so erklärt Kasulke, „sind aber für die Landesverteidigung, wie ich sie mir vorstelle, ungeeignet.“ Er führt uns auf den Hof und zeigt auf eine Reihe von massiven Betonblöcken. „Beton, nichts stoppt besser. Versenkbare Blöcke, die den Verkehr von Militärfahrzeugen regeln“, lässt er uns wissen. „Wenn die Bundeswehr oder verbündete Streitkräfte eine Straße passieren wollen, dann bleiben die Blöcke natürlich unten. Kommt aber ein feindlicher Panzer entlang, dann werden die Poller hochgefahren und der Panzer kann die Straße nicht mehr verlassen.“
Kasulke demonstriert, wie die Poller im Boden abgesenkt und wieder hochgefahren werden. Es dauert eine Weile. „Alternativ können die feindlichen Kräfte, ähnlich wie in einem Labyrinth, durch einen Straßenzug gelenkt werden, bis sie in einer Sackgasse zum Halten kommen und unschädlich gemacht werden. Ich habe mir Aufnahmen vom Häuserkampf Berlin 1945 angeschaut und fand die Truppenbewegungen sehr unübersichtlich. Ich finde, da gehört Struktur rein, und da sind Poller die erste Wahl, auch in Kriegszeiten“, erklärt er.
Bodendrohnen drohen mit Bohnen
„Mein Angebot für das Verteidigungsministerium sieht vor, alle größeren Städte mit versenkbaren Betonblock-Pollern auszurüsten für den wahrscheinlichen Fall, dass unsere Streitkräfte den Feind nicht an den Grenzen aufhalten können, sondern die Landesverteidigung im urbanen Raum erfüllen müssen. Die Poller-Bereitstellungsquote ist hierzulande schon außerordentlich hoch, aber da geht noch mehr. Der Häuserkampf beginnt ja nicht in der Mitte der Stadt, sondern in den Randlagen, daher gilt es, den Feind durch einen ausreichenden bis übermäßigen Bau von Betonpollern im Vorfeld aufs Äußerste zu zermürben.“
Kalle Kasulke geht zu einem Tisch und hebt ein Schild hoch. „Aber das ist noch nicht alles. Auch an die feindliche Infanterie habe ich gedacht. Für die stellen Poller kein Hindernis dar, aber Baustellen. Baustellen sind ja schon zahlreich vorhanden und lassen sich leicht errichten. Ein Loch, ein Bagger, ein Dixi-Klo, dazu eine Handvoll Stoppschilder und Umleitungshinweise, und der Fußsoldat weiß nicht mehr, wohin er invadieren soll, und ergibt sich unseren tapferen Streitkräften.“
Herr Kasulke hat Besuch erhalten. Ein älterer Mann in einem Skelettkostüm fährt auf seinem Rad in den Hof und winkt uns zu.
„Das ist der Klaus, der hat früher in einer Geisterbahn gearbeitet. Zusammen mit seinen Kollegen Schleimmonster, dem Dschinn aus der Flasche und der Mumie werden sie an vorderster Front zu finden sein, wo sie im Gebüsch lauern und Feinde bis ins Mark erschrecken.“
Kalle Kasulke und Klaus das Skelett geben sich High five. „Eine Idee zur Motivation der Bürger für den Kriegsfall fällt mir noch ein“, meint Kasulke zum Abschied. „Was ist eigentlich mit Friedrich Merz? Der hat einen Flugschein und ist mal in einem Eurofighter mitgeflogen. Wenn der vorneweg fliegt, greift doch der härteste Pazifist zur Waffe. Ich glaube, die Verteidigung Deutschlands sollte mit den Mitteln möglich sein, für die dieses Land steht – Blockade, Maßlosigkeit und Verwirrung.“
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