Kanackenbraut in der Rasterfahndung
Naveen K., Student

TAG GEGEN RASSISMUS Rassistische Sprüche zu hören, ist für viele BerlinerInnen Alltag. Nicht alle sind auch so gemeint – Spuren hinterlassen sie trotzdem. Und sie erfordern eine Menge Gelassenheit bei den Betroffenen

■ Im Jahr 1966 wurde der 21. März von den Vereinten Nationen zum „Internationalen Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung“ erklärt. Er erinnert an tödliche Polizeigewalt gegen Menschen, die sechs Jahre zuvor in Südafrika gegen Apartheid demonstriert hatten. 69 Menschen wurden bei dem „Massaker von Sharpeville“ getötet, fast 300 verletzt.

■ In Deutschland wurde der Internationale Tag gegen Rassismus bisher wenig beachtet. Migrantenorganisationen wollen das ändern: Sie wollen heute mit vielen Aktionen auf den wachsenden Alltagsrassismus auch in Berlin aufmerksam machen.

■ Zentrale Aktionen gibt es unter anderem auf dem Leopoldplatz, am Kottbusser Tor, an den Rathäusern Schöneberg und Köpenick. Mehr Infos bei Facebook/Aktion 5 vor 12, www.migrationsrat.de oder www.tbb-berlin.de. (akw)

„Sie sprechen aber gut Deutsch!“ Ist das bloß eine harmlose Feststellung oder schon Rassismus? Ich frage mich jedenfalls, warum es bemerkenswert ist, dass ich der deutschen Sprache mächtig bin. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Hier bin ich zur Schule und Uni gegangen, hier bin ich zu Hause – „Danke, Sie auch!“ Gerade außerhalb der Stadtgrenzen erlebe ich manchmal Situationen, die nicht leicht wegzustecken sind. Wenn ein vielleicht zehnjähriger Junge mir mitteilt, dass er meine braune Hautfarbe nicht mag, frage ich mich schon, woher er diese Einstellung hat. Wenn ich dann nachts beim Tanken im Augenwinkel Nazis entdecke, die mich mit feindlichen Blicken beäugen, auf den Boden spucken und dann glücklicherweise nur gegen die nächsten parkenden Autos treten, weiß ich es. Trotzdem habe ich mittlerweile das Gefühl: Vieles hat sich zum Positiven verändert. Lasst uns als Gesellschaft diesen Prozess weiter vorantreiben! In der Hoffnung, dass vielleicht schon meinem jetzt zweijährigen Neffen solche Erfahrungen einmal erspart bleiben. JAK

Ebru T., Mutter von zwei Kindern

Wenn ich meine eigene Schulzeit als einzige Türkin an einem konservativen Gymnasium in Steglitz Revue passieren lasse, dann erinnere ich mich an sehr viele rassistische Äußerungen, die dort fielen. Besonders von Lehrern. Am pfiffigsten war mein Erdkundelehrer, der sich jedes Mal, wenn in der Türkei etwas vorgefallen war, mich als Stellvertreterin aller Türken im Unterricht vorknöpfte. „Ebru“, hieß es dann, „was macht ihr denn da mit den Kurden?“ oder „Warum grabt ihr den armen Kurden denn mit dem Staudammprojekt das Wasser ab?“ Das waren Fragen, auf die ich keine Antwort hatte, weil ich hier aufgewachsen war. Aber das war dem armen Mann ja nicht ganz bewusst. Bei meinem Sohn an der Schule gibt es solche Äußerungen nicht mehr. Dafür fällt mir auf, wie harsch manche Regelungen dort sind. So wird gern verboten, dass Kinder Türkisch miteinander sprechen. Damit werden diese zweisprachigen Kinder intellektuell und kulturell herabgesetzt. Ich finde, dann muss man sich umgekehrt auch nicht wundern, wenn Pubertierende trotzig Herkunftsfolklore betreiben. ETA

Sule X., Lehrerin

„Kanackenbraut“ bin ich im Lehrerzimmer von einem Kollegen schon mal genannt worden. Ein anderer Kollege hat mich gefragt, ob ich vielleicht von zu Hause vor einer Zwangsverheiratung weggelaufen sei und von meinen Brüdern verfolgt würde, weil ich ja alleine wohne. Im Lehrerzimmer einer Schule, an der ich mal war, wurden gerne Briefe nichtdeutscher Eltern laut vorgelesen und dann herzlich über die vielen Rechtschreib- und Grammatikfehler gelacht. Einmal fragte mich ein Kollege bei schönem Wetter, ob mir eigentlich auch warm sei, weil ich ja aus dem Süden käme und so dunkle Haut hätte. Das war wahrscheinlich gar nicht böse gemeint. Viele Leute merken einfach nicht, was für blöde Fragen sie manchmal stellen.“

AKW

Hilmi Kaya Turan, TBB-Vorstand

Was mich stört, ist der tägliche Populismus von Politikern oder Medien. Da findet eine Stigmatisierung von MigrantInnen in jedem Zusammenhang statt. Wenn Menschen durch rassistisch motivierte Straftaten umkommen, tut man, als sei man schockiert. Aber den Alltagsrassismus übersieht man weiter. Ein Beispiel: Direkt nach den Enthüllungen über die Morde der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ und die Rolle der Verfassungsschutzämter brachte das Bundesinnenministerium eine Studie heraus, bei der wieder junge Menschen mit Migrationshintergrund als Gefahr für die Gesellschaft dargestellt wurden. Das schafft den Nährboden für Alltagsrassismus und letztendlich auch für Gewalt. AKW

Amre El-K., Ingenieur

Meine Wohnungssuche war schwierig. Als ich einen Makler angerufen habe und mich mit meinem Namen meldete, hieß es, die Wohnung sei schon vergeben. Als ich gleich darauf nochmals unter dem Namen Schmidt angerufen habe, war die Wohnung plötzlich doch noch zu haben. Bei Dienstreisen dauern Kontrollen am Flughafen bei mir gewohnheitsmäßig länger als bei meinen „deutsch“ aussehenden Arbeitskollegen – trotz deutscher Staatsbürgerschaft. Und nach dem 11. September erhielt ich von meiner Uni einen Brief, dass meine Daten für eine Rasterfahndung an das Landeskriminalamt übermittelt würden. Ich war noch nie straffällig. Aber weil meine Eltern aus Ägypten stammen, passte ich wohl trotzdem in das Raster. JAK

El-Nassir S., Lehrer

Vieles spielt sich im Kopf ab. Wenn ich mich jenseits von Prenzlauer Berg in östliche Bezirke der Stadt bewege, dann spüre ich, wie ich mit Verachtung angeguckt werde. Das mag subjektiv sein, aber dieses Gefühl hat dazu geführt, dass ich nicht mehr dorthin gehe – weil ich mich dort alleine oder nachts nicht sicher fühle. Ansonsten beobachte ich, dass Rassismus viel subtiler geworden ist. Früher bin ich beschimpft worden, heute passiert das seltener. Manchmal kommt es vor, dass Menschen sogar betont freundlich zu mir sind. Den alltäglichen Rassismus spürt man in Aussagen wie: „Bei uns in Deutschland ist das so üblich.“ Für mich bleibt das Gefühl der Kokosnuss: Innen bin ich weiß, aber von außen werde ich nicht so wahrgenommen. JAK