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Archiv-Artikel

Das frühzeitliche Kraftwerk

KANALSYSTEM Ein Wissenschaftler will das „Oberharzer Wasserregal“ reaktivieren, das dann wieder Strom liefern könnte. Dann käme das Regal als Weltkulturerbe in Frage

Das ist das Regal

Das Oberharzer Wasserregal ist ein im 16. bis 19. Jahrhundert geschaffenes System zur Umleitung und Speicherung von Wasser. Es zählt zu den größten und bedeutendsten historischen, bergbaulichen Wasserwirtschaftssystemen der Welt.

■ Die Anlagen erstrecken sich über ein Gebiet von 200 Quadratkilometern, wobei die meisten Bauwerke im Raum Clausthal-Zellerfeld, Hahnenklee, Sankt Andreasberg, Buntenbock, Wildemann, Lautenthal, Schulenberg, Altenau und Torfhaus zu finden sind.

■ Regal bedeutet in dem Zusammenhang königliches Hoheitsrecht. Mit dem Bergregal verlieh der Landesherr das Recht, Bergbau zu betreiben, mit dem Wasserregal das Wasser dafür zu nutzen. RP

VON REIMAR PAUL

Wer den Harz schon mal durchstreift hat, kennt vielleicht das kilometerlange System von künstlich angelegten Gräben, Kanälen und Teichen entlang der Wanderwege. Das „Oberharzer Wasserregal“ wurde ab dem 15. Jahrhundert von Bergleuten angelegt. Es diente der Umleitung und Speicherung von Wasser, das Wasserräder in den Bergwerken antrieb. Historiker zählen es zu den bedeutendsten historischen bergbaulichen Wasserwirtschaftssystemen der Welt.

Die Anlagen stehen zwar unter Denkmalschutz, doch weil es in den vergangenen 30 Jahren nicht mehr gepflegt und unterhalten wurde, droht das System buchstäblich zu versanden. Tourismus-Strategen bemühen sich derzeit um den Weltkulturerbestatus für das „Wasserregal“. Doch bei dem maroden Zustand der Kanäle sei das ein aussichtsloses Unterfangen, urteilt der Bonner Physiker Peter Welke.

Er regt an, das System aus Gräben und Auffangbecken zu reaktivieren. Dabei soll das frühneuzeitliche Kraftwerk sogar wieder Energie liefern. Einige Millionen Euro jährlich könnte der so gewonnene Strom nach Welkes Berechnungen einbringen – mehr als genug, um den Unterhalt der Anlagen zu finanzieren.

Im Harz wurde seit dem Mittelalter vor allem Silber abgebaut. Doch je tiefer die Bergleute die Schächte und Stollen trieben, desto größer wurde das Problem, die Gruben trocken zu halten. So genanntes Kluftwasser sickerte in die Bergwerke. Die Bergmänner nutzten Regenwasser zum Antrieb von Pumpen, mit denen sie ihre Gruben entwässerten.

Vor allem das Gebiet um die damals noch getrennten Bergstädte Clausthal und Zellerfeld war schon vor mehr als 500 Jahren ein Zentrum für regenerative Energie. Ein effizientes, wie Welke betont: „Drei Viertel aller Regentropfen wurden zur Trockenlegung der Stollen und zum Betrieb der Bergwerke verwandt.“

1930 machten die letzten Gruben im Harz dicht. Dennoch war das „Oberharzer Wasserregal“ bis 1965 noch in einem guten Zustand. „Im Prinzip hätte man es damals ohne größeren Aufwand direkt wieder in Betrieb nehmen können“, sagt Welke. Mitte der 90er Jahre gingen die Wassernutzungsrechte in der Region an die Harzwasserwerke GmbH. Im Gegenzug sollten diese das Grabensystem erhalten. Dennoch sind inzwischen zahlreiche Gräben trocken, undicht oder sogar völlig zerstört worden. „An eine Nutzung ist momentan nicht zu denken“, sagt Welke.

Der Wissenschaftler hält es für möglich, die Anlage wieder betriebsfähig zu machen. Er hat ausgerechnet, wie viel Strom das uralte Wasserkraftwerk liefern könnte: „Bei den augenblicklichen Preisen ließen sich damit Erlöse von mehreren Millionen Euro jährlich erzielen. Das ist mehr als genug, um die Instandhaltung zu finanzieren.“ Auch Professor Winfried Schenk vom Geographischen Institut der Universität Bonn plädiert dafür, das einmalige Kulturdenkmal wieder herzurichten. „Warum sollte eine Anlage, die 500 Jahre lang zur Energieerzeugung eingesetzt wurde, das nicht auch heute wieder tun?“