es bleibt ja kompliziert #3: Für immer Punk, aber Punk light
Mit zwei verschiedenfarbigen Chucks an den Füßen, einem viel zu großen Nirvana-T-Shirt und „Allesfresser“ von Toxoplasma auf den Ohren mache ich mich 2003 auf den Weg zu meiner ersten Demo. Krieg wütet im Irak, ich bin 12 Jahre alt und dagegen, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie man die Welt rettet. „Rebellische Phase“ nennen Lehrer:innen und Eltern – meine damaligen Erzfeinde – mein Auftreten in zerrissenen Strumpfhosen und dunklem Kajal. Klar, dass ich mir die Strumpfhosen noch mehr zerreiße. Nur meine langen Haare bleiben verschont. Einen Iro traue ich mich dann doch nicht. Ich bin Punk light, aber immerhin ein bisschen laut.
Mit ein paar didaktischen Skills besuche ich in der Studienzeit die Unterkunft der AWO. Eigentlich wollen meine Kommiliton:innen und ich dort Deutsch unterrichten, aber oft sitzen wir stattdessen über amtlichen Briefen, die wir selbst kaum verstehen. Ich ringe mit Behördendeutsch, während vor mir jemand sitzt, der mit ganz anderen Hürden kämpft. Gekocht wird hier übrigens immer und zwar für alle. „Studentischer Idealismus“ nennt es die Professorin, deren Seminar ich wegen der Einsätze oft verpasse.
Louisa Zennia studierte Kultur- und Literaturwissenschaft in Berlin und Venedig. Sie ist tazlab Redakteurin und Teil des Eventteams.
Heute sitze ich in der taz lab Redaktion und frage mich mit meinen Kolleg:innen, wie wir junge Leute wieder für Journalismus begeistern – bevor uns rechte Tiktok-Accounts zuvorkommen. Wir feilen an Themen, streiten mal mehr oder weniger konstruktiv und motivieren uns gegenseitig. Zwischen Deadlines und Debatten fällt der geringere Frauenanteil ins Auge, wir wollen mehr postmigrantische Perspektiven und überhaupt mehr Stimmen, die sonst nicht gehört werden. Ich glaube, das war nie nur eine Phase – wir müssen einfach weitermachen! Louisa Zennia
Hier schreiben unsere Autor*innen wöchentlich übers „Weiter/machen“.
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