„Mitschwimmen in der Masse“

Diskussion über Fußball, Gewalt und Rassismus

■ 31, schreibt als freier Journalist über Gewalt und Rassismus im Fußball. Zuletzt erschien „Angriff von Rechtsaußen. Wie Neonazis den Fußball missbrauchen“.

taz: Herr Blaschke, wo steht Deutschland im internationalen Vergleich, wenn es um Rassismus im Fußball geht?

Ronny Blaschke: Ein Ranking aufstellen ist schwierig. Wenn wir auf die EM 2012 in der Ukraine und Polen schauen, gibt es dort natürlich auch rassistische und gewaltbereite Fans. Da haben die Vereine die Entwicklung der Fans verschlafen, Familien trauen sich oftmals nicht ins Stadion, weil sie Angst vor Ausschreitungen haben.

Und in Westeuropa?

In England ist es das komplette Gegenteil: Die Tickets sind sehr teuer, die Sicherheit ist angepasst worden. In Italien dagegen gibt es viele faschistische Fans, die sogar für die rechtspopulistische Lega Nord kandidieren.

Soweit ist es hier aber noch nicht.

Nur weil wir den Hitler-Gruß in den Profi-Stadien nicht sehen? Auch wir haben gravierende Probleme. Es geht um alle Formen der Diskriminierung, Homophobie, Sexismus – Sachen wie „Zick zack Zigeunerpack“ hört man hier jedes Wochenende.

Der Rassist unter den Fußballfans outet sich durch seine Gesänge?

Natürlich geht das viel früher los. Die Abwertungsmuster sind in der Mitte der Gesellschaft, wie die Sarrazin-Debatte offenbarte. Im Fußball-Stadion bricht diese Einstellung schneller aus, weil es Andockmöglichkeiten gibt: Emotionen und strenge Hierarchien, es geht um Sieg und Niederlage. Man schwimmt in der Masse mit. Vermutlich ist das Stadion der einzige Ort, wo man in der Öffentlichkeit schwache Gruppen ausgrenzen kann. INTERVIEW: EFK

Diskussion „Angriff von Rechtsaußen“ mit Ronny Blaschke, Dieter Bänisch (Jugend und Sport e. V.) und Tim Cassel („Schleswig-Holstein kickt fair“): 19 Uhr, Clubheim des FC St. Pauli