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Biathlon im Dom

Die katholische Kirche erprobt in Köln innovative Wege, an mehr Mammon zu kommen

Unbezahlbare Dienstleistung: Weihräuchern im Kölner Dom Foto: dpa

Von Patric Hemgesberg

Monsignore Guido Assmann fischt uns vor dem Hauptportal des Kölner Doms aus dem nicht abreißenden Menschenstrom. Sofort werden wir vom Generalvikar der Bistumsverwaltung durch einen Sondereingang für VIP-Gäste in den gewaltigen Innenraum geschoben. Dem Sog der Samstagmittag-Stampede entgehen wir nur um Haaresbreite.

„Sie haben Glück“, lacht Assmann, der uns zum Rundgang durch den aufgepimpten Katholentempel eingeladen hat. „Wir haben mit der Stadt Köln vereinbart, die Domplatte bis auf einen schmalen Durchgang in die Kathedrale hinein zu sperren. So müssen die, die in der Fußgängerzone shoppen wollen, es erst mal durch den Dom schaffen! Die Wahrscheinlichkeit, dass sie dabei unsere ‚Erlebnisangebote‘ nutzen oder etwas kaufen, ist sehr, sehr hoch. Denn finanziell sind wir ja nicht auf Rosen gebettet. Kommen Sie!“

Wir gehen weiter, tasten uns am Gemäuer entlang durch das südliche Seitenschiff. Fast werden wir von Touris im Schlussverkauf-Modus niedergetrampelt. Der 61-jährige Assmann raunt uns zu, dass der Unterhalt des Kölner Doms jährlich 12,5 Millionen Euro koste: „Umgerechnet sind das rund 34.000 Euro am Tag!“ Das Problem sei, dass dem Erzbistum aufgrund der vielen Austritte bis 2030 rund 100 Millionen Euro weniger Kirchensteuer zufließt. „Ein Ende der Austrittswelle ist nicht absehbar. Deshalb sollen uns die sechs Millionen Dombesucher im Jahr so bald wie möglich autark machen!“

Während wir von einem anhänglichen Opferstock-Roboter verfolgt werden, der uns alle zehn Sekunden auffordernd in die Hacken fährt, laufen wir weiter. Vorbei am modernen Gerhard-Richter-Fenster führt Assmann uns zum Klappaltar der Kölner Stadtpatrone aus dem 15. Jahrhundert. „Gegen einen Obolus im fünfstelligen Bereich haben betuchte Kölner und reiche Auswärtige die Möglichkeit, sich in die weltberühmten Original-Gemälde von Stefan Lochner malen zu lassen“, schnalzt Assmann mit der Zunge. „Noch ist in den Bildern reichlich Platz.“

Wir sehen genauer hin und entdecken zwischen den Heiligen Drei Königen Lukas Podolski, der das Jesuskind mit einem Döner füttert. Daneben leckt Effzeh-Maskottchen Hennes IX. dem Erlöser mit seiner pelzig aussehenden Zunge die Füße. „Natürlich haben wir auch für die mittleren Gehaltsklassen etwas im Angebot. Hier, packen Sie mal mit an.“

Mit dem Seelenhirten unseres Vertrauens wuchten wir die schwere Steinplatte vom benachbarten Sarkophag des 1191 verstorbenen Kirchenmanns Philipp von Heinsberg. Wir trauen unseren Augen nicht, als darunter ein brandneuer Snooker-Tisch mit EC-Karten-Schlitz hervorlugt. Kurz erwägen wir, Assmann herauszufordern und in „seinem Wohnzimmer“ vernichtend zu schlagen. Allerdings sind uns 50 Euro Gebühr für ein Match, bei dem womöglich der Heilige Geist anstelle des Theologen die Kugeln einlocht, viel zu teuer.

Mittlerweile ist es früher Nachmittag. Wir haben mit Don Assmann die Stufen zur Glockenstube im Südturm erklommen. Die berühmt-berüchtigte Petersglocke, von den Kölnern liebevoll „Dicker Pitter“ genannt, erwartet uns extrem verschlankt. „Von der ehemals 24 Tonnen wiegenden Bronzelegierung ist nach dem Einschmelzen und Neugießen nur noch gut die Hälfte übrig geblieben. Um den Rest bei den Stahlpreisen nicht gewinnbringend zu verscherbeln, war die Versuchung einfach zu groß“, bekreuzigt sich der Domprobst reu­mütig.

Selbstverständlich müsse auch der jetzt „Dünne Pitter“ als Teil des Ensembles zum Unterhalt des Doms beitragen. Dafür solle er künftig nicht mehr nur an hohen Feiertagen und rund um die Papstwahl ins Schwingen kommen. „Geläutet werden kann, bei entsprechender Bezahlung, ab sofort für alles und jeden“, frohlockt der Monsignore.

Zurück im Hauptkirchenschiff füllen sich die Bänke derweil mit Zuschauern. Während durch das Nordportal die Schneekanonen für den ersten Indoor-Biathlon-Weltcup hereingekarrt werden, bringen sich im Mittelgang bereits etliche Kameraleute in Stellung. Der selig entrückte Würdenträger scheint beim Gedanken an TV-Rechte und Werbegelder die Englein singen zu hören. Das 7,5-Kilometer-Rennen der Damen mit jeweils vier Runden durch den Dom und zweimaligem Ausschießen von Opferkerzen ist unsere Sache nicht.

Bevor das Spektakel losgeht, verabschieden wir uns von Don Assmann. Der möchte bei allem Kommerz eines klarstellen. „Von unseren Gästen für den Kölner Dom-Besuch keinen Eintritt zu verlangen, bleibt eine Selbstverständlichkeit. Die Einführung aber von Atemluftpauschale und Fußbodenabnutzungsgebühr ist angesichts der Finanzmisere leider alternativlos.“ Na, dann kann mit der himmlischen Konsolidierung ja nichts mehr schiefgehen! Amen.

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