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die dritte meinungBetrifft Halbjahreszeugnisse: Trennt Schulkinder nicht zu früh, sondern lasst sie länger zusammen lernen

Dieser Tage werden in Deutschland Zeugnisse verteilt. Insbesondere für Kinder am Ende der Grundschulzeit ist das ein kritischer Moment: Die Übergangszeugnisse entscheiden über ihre weiteren Lebenschancen. Die frühe Separierung der Kinder ist nicht nur aus sozialen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen falsch.

Die Trennung nach wenigen Jahren Grundschule ist ein Relikt aus dem Kaiserreich. Schon damals wurde die frühe Separierung mit Verweis auf die Gefahr einer „sozialistischen Einheitsschule“ von konservativen Kreisen durchgesetzt. Begabte müssten früh gefördert werden, um Deutschland voran­zu­bringen. Dass die begabten Kinder fast immer auch die gut betuchten waren – kein Zufall. Aber die Argumentation hält sich hartnäckig. Die Schule dürfe kein „Pseudoschonraum“ unter Laborbedingungen sein, meint etwa Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Verbands Deutscher Realschullehrer.

Dabei ist es vor allem die Herkunft, die über die Schulform entscheidet: Die Wahrscheinlichkeit, eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, ist für Kinder von Akademikerinnen oder Unternehmern viermal so hoch wie für (Fach)arbeiterkinder. Selbst bei vergleichbaren Lesekompetenzen schätzen Lehrkräfte die Gymnasialtauglichkeit von Schü­le­r:in­nen aus akademischen Haushalten deutlich höher ein.

Fair ist das nicht.

Die Debatte über Deutschlands Schulsystem ist ermüdend, aber sie darf nicht ad acta gelegt werden. Wer weiß schon, ob ein zehnjähriges Kind sich noch zum Mathe- oder Sprachgenie entwickeln oder bei „Jugend forscht“ brillieren würde, wenn es die Chance dazu hätte?

Milena Feldmann

promoviert im Fach Erziehungs­wissenschaft und ist derzeit Schülerin der Deutschen Journalistenschule in München.

Nicht nur der Fachkräftemangel erfordert es, alle gleichermaßen zu fördern. Eine gemeinsame Schulerfahrung und diverse Freundeskreise wirken gegen die Fragmentierung unserer Gesellschaft. Trotzdem spielt das Schulsystem in den Wahlprogrammen der großen Parteien keine Rolle. Daher ein Zwischenruf: Lasst die Kinder länger zusammen lernen!

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