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Archiv-Artikel

Drehende Philosophie

Sadistische Tauschgeschäfte mt christlicher Note. Die DREI verwandeln Kampnagel in ein „Klärwerk des Sozialen“

Der Philosoph Christian Gefert dreht sich. Nicht er selbst, sondern die kleine, runde Bühne unter seinen Füßen. Mal hin zu Heidi Salaverrria, dann um 180 Grad weiter zu Bernhard Schleiser. Die beiden KollegInnen in ihren weißen Laborkitteln nehmen ihn ins Kreuzverhör, in der lebendigen Philosophieshow auf Kampnagel.

Die DREI wollen das Soziale klären, im „Kanal Eigennutz: De Sade ./. Augustinus“. Der Geistliche und der Sexprophet steigen in den diskursiven Boxring, stellvertretend für das Geben und das Nehmen, ausgestattet mit den Attributen eben dieser Tätigkeiten.

Augustinus, der Geber im Namen Christi und De Sade, der lüsterne Nehmer von Frauen, Männern, Macht und Flüssigkeiten. „Geben, das hat etwas mit Hoffnung zu tun bei Augustinus“, sagt Gefert, „nämlich in den Himmel zu kommen.“ Also predigt Augustinus das Geben, um später im Jenseits einen Mehrwert zu erhalten. Geben und nehmen sind demnach ineinander verstrickt.

„De Sades Texte“, so Heidi Salaverria, „zeigen die latente Gewalttätigkeit des ökonomischen Tauschverhältnisses im Geben und im Nehmen.“ Die Philosophieperformerin wird mit ihrem kleinen Ausflug in die De Sade‘sche Sexualökonomie auch auf die Lust am Handel unter den Bedingungen von Hartz IV eingehen. Dafür landet auch sie auf der Drehscheibe, unter den kritischen Augen ihrer Kollegen gibt ein Wort das andere. Die DREI gestalten so sprachlich ihren eigenen Rhythmus vom Geben und Nehmen, geben Argumente von sich, nehmen aber auch Kritik in Empfang.

Auch Bernhard Schleiser bleibt nicht verschont. Er wendet sich in seiner kurzen Expertise dem Phänomen des Eigennutzes zu. „Der schlechte Eigennutz strapaziert das Nehmen über“, so der Philosophielehrer. Gleichwohl sei der Eigennutz für das Selbst konstitutiv. „Die Selbstsorge, also die Sorge um das Selbst, das ist ein guter Eigennutz, den man fördern sollte.“

Wo kippt das Nehmen in Raffgier, wo schlägt das Geben ins erdrückende Helfersyndrom um? Wo gibt man, nur um später zu nehmen, und: ist das gut oder schlecht oder unterschiedlich je nach Kontext?

Das Publikum soll, wie bei allen DREI-Veranstaltungen, mitreden. Zunächst aber mitschreiben. Denn die DREI teilen Sätze aus ihren kurzen Vorträgen auf Papierschnipseln aus. Der geneigte Zuschauer pickt sich ein Wort heraus und erfindet damit einen neuen Satz. „Wir wollen so prüfen, wie viel Assoziationskraft in unseren Expertisen steckt“, schmunzelt Christian Gefert. „Der beste Satz wird nach rein subjektiven Kriterien prämiert“. Die Überraschung des Abends soll ein kleines „Give Away“ sein, ein Geschenk, das „die Ökonomie außer Kraft“ setzen soll. Katrin Jäger

Experiment Philosophie: „Klärwerk des Sozialen: Kanal Eigenutz: De Sade ./. Augustinus: Nehmen und Geben“, am 26.5. auf Kampnagel, kmh, 20.30 Uhr