: „Bei mir gibt’s keine Torjubelmusik“
1. FC UNION Sven König, Spitzname Wumme, fährt unter der Woche Lastwagen und sorgt am Wochenende im Stadion An der Alten Försterei für die passende Musik: Rock, Britpop, Alternative – aber auch Nicole war schon dabei
INTERVIEW GUNNAR LEUE
taz: DJ Wumme …
Sven König: Nennen Sie mich bloß nicht DJ Wumme! Das kann ich überhaupt nicht leiden.
Warum denn nicht?
Ich bin Stadionbeschaller. Ich bin kein DJ-Profi und lege außer mal auf einer Privatparty sonst auch nicht auf. Wumme ist mein Spitzname, der hat aber nichts mit meinem Job bei Union zu tun.
Hätte doch gut gepasst – der Mann, der die Musik in die Alte Försterei wummert. Wie wird man eigentlich Stadion-DJ?
Ich bin da 2005 irgendwie reingerutscht. Union war in die Oberliga abgestiegen, und der alte Stadionsprecher in der Alten Försterei hatte aufgehört. Vielleicht hatte er Geld gekostet und es musste gespart werden, keine Ahnung. Jedenfalls kannte ich den Neuen und durfte ihn bei der Musikbeschallung unterstützen.
Hat Sie eher das Musikauflegen gereizt oder der Spitzenplatz im Stadion?
Das kann man nicht trennen. Ich war 1997 das erste Mal bei Union und bin seit 1999 infiziert. Deshalb fahre ich auch weiter zu den Auswärtsspielen. Die Zugfahrten und das Zusammensein mit meinen Kumpels im Gästeblock sind mir sehr wichtig. Genauso viel bedeutet es mir, die Stadionmusik zusammenzustellen. Manche denken sicher, das ist ja nur ein bisschen Musikauflegen. Aber ich habe schon großen Ehrgeiz, immer das Beste zu geben. Wenn die Hütte ausverkauft ist, natürlich besonders.
In puncto Musikgeschmack gibt es wohl nirgendwo ein weniger homogenes Publikum als im Fußballstadion. Abgesehen von der Vereinshymne kann man doch nie alle gleichermaßen zufriedenstellen. Versuchen Sie es trotzdem?
Einigermaßen. Deswegen dominiert bei mir auch Rockiges, viel Britpop und Alternative – gern Kasabian, Foo Fighters, Vampire Weekend oder Friska Viljor. Dazu etwas Elektronisches und auch mal ein HipHop-Stück, wegen der Abwechslung.
Was ist mit Ostrockbands wie Puhdys oder Pankow? Wo Union doch seine Wurzeln als Ostverein so pflegt.
Ich bin 26 und habe die DDR nicht mehr bewusst erlebt. Ich weiß gar nicht genau, was mit Ostrock alles gemeint ist. Ich habe dazu keine Beziehung und deshalb spiele ich das auch nicht. Es sei denn, bestimmte Songs werden als Wunsch an mich herangetragen. Aber offenbar wollen die älteren Fans die frühere Ostmucke gar nicht hören. Die wünschen sich eher Rammstein oder mal Feeling B. Die stammen ja auch aus dem Osten.
Was ist mit Schlagerwünschen?
Hatten wir auch schon, aber die ignoriere ich. Musik zum Schunkeln gibt’s bei mir nicht. Doch, Moment, gegen Dresden haben wir mal was von Nicole gespielt. Irgendwas mit Frieden, so als Gag.
Stimmt es, dass „Brandenburg“ von Rainald Grebe als Gag nicht so gut ankam?
Das Lied lief vorm Spiel gegen Babelsberg, auf Wunsch einiger Fans. Hinterher gab es Lob und Kritik.
Warum?
Unser Fanbeauftragter erhielt Beschwerdebriefe von Unionern, die in Brandenburg wohnen. Die fühlten sich durch das Lied persönlich angegriffen. Mit dieser Kritik konnte ich nicht so viel anfangen.
Nur Union-Hymnen wäre ja langweilig, oder?
Eben. Bei einem Spiel gegen den BFC wollten wir mal nur Union-Lieder spielen, aber das ging in die Hose. Weil die Anstoßzeit wegen des laufenden Polizeieinsatzes kurzfristig verschoben wurde, hatten wir irgendwann keine Union-Lieder mehr.
Wie sieht Ihre Spielvorbereitung aus?
Zwischen den Heimspielen mache ich mir Gedanken, welche Songs ich auflege. Manche höre ich im Radio, oder es fallen mir welche aus meiner CD-Sammlung ein. Dazu kommen Wunschsongs, die mir Fans mailen. In vier, fünf Stunden stelle ich daraus eine Playlist zusammen.
Spielt es eine Rolle, wie der Gastverein heißt?
Ich mache keinen auf den Gegner bezogenen Thementag. Nur vor den Partien gegen St. Pauli, TeBe oder Babelsberg, die eher im linken Spektrum angesiedelt sind, habe ich mir die Playlist etwas genauer überlegt. Nicht um eine Meinung auszudrücken, sondern um deren Fans zu zeigen, dass es bei Union auch anders geht, als es in den Medien manchmal rüberkommt. Dass der Verein mit Rechten in Verbindung gebracht wurde, hat mich ziemlich genervt. Deshalb habe ich Songs gespielt, die Rechte bestimmt nicht mögen. Punkklassiker von Slime, Dead Kennedys, Ton Steine Scherben, so was.
Wurden Sie bei einem Hochsicherheitsspiel schon mal angehalten, etwas Ruhigeres zu spielen, quasi als Deeskalation?
Von Polizeiseite kamen nie Verbote. Nur einmal hieß es: Mach mal die Musik auf der Gästetribüne aus, der Fanbeauftragte muss die Fans per Megafon beruhigen. Ich glaube, das war beim Derby gegen den BFC. Von Vereinsseite gab es sicher auch mal einen Spruch: Spiel nicht immer so was Aggressives, das pusht manche zu sehr. Aber das war wohl eher ’ne Geschmacksfrage.
Gerade haben Sie die Ehrennadel in Bronze für besondere Verdienste um Union bekommen.
Ich war darüber sehr erfreut, aber auch total überrascht. Weiß auch nicht, was man sich dabei gedacht hat. Vielleicht, weil ich seit sechs Jahren ehrenamtlich hier tätig bin.
Was machen Sie im Hauptjob?
Ich bin Lkw-Fahrer bei einer Baufirma.
Das passt ja zum Image des Arbeitervereins. Fühlen Sie sich als Stadion-DJ verpflichtet, das Image des Vereins zu fördern?
In erster Linie wollte ich mein Ding durchziehen, und im Grunde kann ich das immer noch tun. Ich muss niemanden überzeugen, dass es keine Torjubelmusik gibt und Jubelwunschlieder für Torschützen auch nicht. Wir wollen so wenig Event wie möglich.
Um an Geld zu kommen, hat Union eine Stadionaktie aufgelegt. Als Gegenleistung sollen die Fan-Aktionäre Einfluss auf den Erhalt der Stadionkultur bekommen. Haben Sie eine Aktie für 500 Euro gekauft?
Ja. Mit Ratenzahlung.
■ Beim Montagsspiel gegen Eintracht Frankfurt ist Wummes Fingerspitzengefühl heute besonders gefragt: Die Gästefanblöcke bleiben auf Geheiß des DFB-Kontrollausschusses leer, weil Eintracht-Anhänger in Düsseldorf am 13. Februar Feuerwerkskörper zündeten. Viele sollen sich deshalb Tickets in den Union-Blöcken gesichert haben.