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Archiv-Artikel

Harter Machtkampf im Capitol

Im US-Kongress eskaliert der Streit um das „Filibuster“, jenen traditionsreichen Geschäftsordnungstrick, der der jeweiligen Minderheit Blockademöglichkeiten einräumt

WASHINGTON taz ■ Im US-Kongress tobt seit Donnerstag der wichtigste Machtkampf in Präsident Bushs zweiter Amtszeit. Innerhalb der nächsten Tage soll im Senat über zwei von insgesamt zehn von der Opposition bislang blockierten Kandidaten Bushs für Bundesberufungsgerichte abgestimmt werden. Die Demokraten drohen, die in ihren Augen ultrakonservativen Richter erneut durchfallen zu lassen. Für diesen Fall drohen die Republikaner wiederum, das bislang geltende Abstimmungsverfahren zu ändern, woraufhin die Demokraten die Arbeit im Parlament zum völligen Stillstand bringen wollen.

Gegenwärtig kann die Opposition im Senat mittels „Filibuster“ Nominierungen des Präsidenten blockieren. Das Verfahren bezeichnet eine Dauerdebatte mit dem Ziel, ein Votum zu verhindern. Bislang kann nur eine Mehrheit von 60 der insgesamt 100 Senatoren ein Ende der Debatte beschließen. Die Republikaner verfügen jedoch nur über 55 Sitze. Jetzt wollen nun die Geschäftsordnung für Richternominierungen ändern – ein Ansinnen, dass von den Demokraten als Machtmissbrauch schärfstens verurteilt wird.

Blind gegenüber der Warnung, der Präzedenzfall könnte auch einmal sie selbst treffen, sollten sich die Mehrheitsverhältnisse im Kongress ändern, betrachtet die republikanische Führung im Kongress das Filibuster als ein Hindernis auf dem Weg zu uneingeschränkter Macht. Die seit den Gründungstagen bestehende Regel war jedoch als Instrument gedacht, der Minderheit ein Mitspracherecht einzuräumen.

Die Republikaner, die einst 70 von Bill Clinton vorgeschlagene Richter verhinderten, werfen der Opposition vor, dieses Instrument zu missbrauchen. Der Tonfall der Debatte zielt weit unter die Gürtellinie. So bezichtigt der republikanische Fraktionschef Bill Frist die Demokraten, „die nominierten Richter töten und vernichten zu wollen“.

Der Grund, warum der Streit um die Besetzung von Bundesrichterpositionen so eskaliert ist: Viele brisante Fragen werden nicht mehr vom Parlament, sondern von Gerichten entschieden. Beide Parteien betrachten das Justizsystem daher als erste Frontlinie im Kulturkampf um Themen wie Abtreibung, Sterbehilfe oder Home-Ehe.

Zwar suchen moderate Senatoren aus beiden Lagern seit Tagen einen Kompromiss, um den Showdown zu verhindern – bislang jedoch ohne Erfolg. Beide Parteiführungen stehen unter massivem Druck ihrer einflussreichsten Wählergruppen, keine Schwäche zu zeigen.

Aus dem Weißen Haus kommen ebenfalls keine Signale zum Einlenken. Bush nimmt in Kauf, dass Vorhaben wie die Reform der Rentenversicherung vollends blockiert werden. Er scheint bereit, diesen Preis zu zahlen, um ein höheres Ziel zu erreichen: konservative Richter auf demnächst im Obersten Gerichtshof vakant werdenden Posten durchzusetzen. Diese könnten die Balance zu Gunsten der Konservativen kippen und die politische Landschaft in den USA auf Jahrzehnte beeinflussen.

MICHAEL STRECK