: Zu Pferd und Fuß auf der Jagd nach Stimmen
Am Sonntag wählen die Mongolen einen neuen Präsidenten. Der Amtsinhaber, ein Exkommunist, darf nicht mehr antreten. Einen Favoriten gibt es nicht, doch dürften zwei steinreiche Unternehmer die Wahl unter sich ausmachen
ULAN BATUR taz ■ Er will den „Reichtum gerechter verteilen“, „die Korrupten bestrafen“ und den Familien „mehr Kindergeld“ verschaffen. Über 8.000 Kilometer hat der Kandidat der Demokratischen Partei, Mendsaikhan Enkhsaikhan, in den letzten Tagen zurückgelegt – im Jeep, zu Pferd, zu Fuß: Auf seiner Reise zu den Jurten der Nomaden in der schier endlosen Steppe seiner Heimat. Die Mongolen wählen – zum dritten Mal innerhalb eines Jahres. Nach dem Parlament und den Kommunalvertretungen bestimmen die 2,6 Millionen Bewohner am Sonntag einen neuen Präsidenten.
Anders als in Georgien, Kirgisien, Usbekistan und anderen Staaten des früheren Ostblocks haben sich die Mongolen daran gewöhnt, ihre Führung ebenso friedlich wählen wie abwählen zu können: Seit dem Zerfall der Sowjetunion, der Einführung der Privatwirtschaft und des Mehrparteiensystems Anfang der Neunzigerjahre hat die Regierung schon öfter gewechselt, ohne dass die Stabilität des Landes gefährdet worden wäre.
Der bisherige Amtsinhaber Bagabandi, ein Exkommunist, darf nicht mehr kandidieren. Vier Kandidaten bewerben sich, darunter zwei Unternehmer, die im Wildwestkapitalismus der Mongolei mit Erdöl, Kaschmirwolle und Finanzgeschäften ein Vermögen gemacht haben und sich nun ihre eigenen politischen Parteien finanzieren.
Favorit ist Nambariin Enkhbayar von der Revolutionären Volkspartei. Der 47-Jährige besitzt einen großen Vorteil: Er kann auf eine loyale Gefolgschaft bauen. Enkhbayar war bis zum Sommer 2004 vier Jahre Premier und ist derzeit Parlamentschef. Kritiker werfen ihm allerdings vor, korrupt zu sein. Zudem hielt er während seiner Amtszeit die Medien an der kurzen Leine.
Auch Enkhsaikhan von der Demokratischen Partei hat reiche politische Erfahrung: Als Student in den Achtzigerjahren war er in der Ukraine. „Da habe ich die Gorbatschow-Zeit aus der Nähe erlebt. Das hat mich geprägt“, sagt er. Er wurde 1996 der erste nichtkommunistische Regierungschef – und von der eigenen Fraktion bald fallen gelassen, weil er nach Ansicht seiner Parteifreunde die Privatisierung zu radikal vorantrieb. Noch immer ist seine Partei zerstritten. Seinen Wahlkampf kämpfte er als „einsamer Wolf“, wie es heißt.
Das Ergebnis ist offen: Exkommunisten und die übrigen Parteien sind zusammen ungefähr gleich stark, wie die Wahlen zum 76-köpfigen Parlament, dem „Großen Chural“, 2004 bewiesen. Damals blieben Regierung und Parlament monatelang gelähmt, Vorwürfe von Amtsmissbrauch, Bestechung und Stimmenkauf flogen hin und her. Anfang dieses Jahres schloss sich ein Teil der Demokratischen Allianz der Fraktion der Exkommunisten an, die damit eine absolute Mehrheit gewann.
Obwohl die Wirtschaft der Mongolei 2004 offiziell über zehn Prozent gewachsen ist, ist das Land noch immer bitterarm. Seit dem Ende der Planwirtschaft gingen viele Betriebe bankrott, Zehntausende verloren ihren Job. Vom neuen Wohlstand, der vor allem den Gold- und Kupferminen zu verdanken ist, profitieren nur wenige. Die neuen Reichen können sich teure Autos leisten und die Kinder zum Studium ins Ausland schicken. Sie sitzen im „Casablanca“ beim Bier oder trinken Dschingis-Wodka in einer der neuen Hotelbars.
Mittlerweile tobt ein Streit quer durch alle Parteien über die Frage, ob das politische System eigentlich auf die Mongolei passt. Wäre es nicht besser, einen starken Präsidenten zu haben – so wie in den USA? „Ein mächtiger Mann an der Spitze, das entspricht der Mentalität der Mongolen“, sagt der Wahlkampfmanager und Generalsekretär der Exkommunisten, Bayar. „Wir brauchen ein starkes Parlament“, sagt hingegen die populäre Chefin der kleinen „Partei des Bürgerwillens“, Oyuna Sanjasuren, die für ihre Antikorruptionskampagnen bekannt ist. „Nur so können wir die Regierung effektiv überwachen.“ JUTTA LIETSCH