: Ein dialektischer Spagat
Einmal im Jahrzehnt leistet sich Münster zeitgenössische Skulpturen-Projekte. Jetzt haben die Vorbereitungen für die vierte Ausstellung im Jahr 2007 begonnen
Am Anfang war die öffentliche Präsentation zeitgenössischer Skulpturen in Münster ein angefeindetes und mit konservativen Zeitungskampagnen bekämpftes Projekt. Die Wut traf 1977 vor allem Claes Oldenburgs riesige „Beton-Billardkugeln“ am Aasee – heute fester Bestandteil des Stadtmarketings. Empörung herrschte auch 1987 über Richard Serras Rost-Stahlskulptur „Trunk“ vor dem barocken Erbdrostenhof, eine gern verkannte Auseinandersetzung mit dem Baumeister Johann Conrad Schlaun. Katharina Fritschs „Gelbe Madonna“ wurde mehrfach beschädigt.
Auch Rebecca Horns „Gegenläufiges Konzert“ stieß bei den Bürgern auf Unverständnis. Heute ist ihre Installation aus verstörend flackernden Rotlichtern und schlagenden Hämmern im Zwinger, einem frühneuzeitlichen Knast, in dem die Gestapo zur Zeit der Nazi-Herrschaft folterte, nach der Restaurierung und nach Jahren zäher öffentlicher Debatten eine anerkannte Erinnerungsstätte.
Bereits 1997 galt die dritte Ausstellung als Münsteraner Markenzeichen und Publikumsmagnet. Da gab es viele eher ironisch verspielte und begehbare Objekte, wie die “Gartengestaltung“ von Peter Fischli/David Weiss, die „Kunstrasen“-Lounge von Tobias Rehberger oder Nam June Paiks silberne Cadillacs vorm Schloss. Andererseits erklärte Marjetica Potr den 1941 als Wasserschloss getarnten Lazarett-Bunker zur imaginären Stadt „Magadan“ und der renommierte Bildhauer Hans Haacke kopierte gleich ein „Heldenmonument“ als stacheldrahtgekröntes, nationalistisches Kitschkarusell.
Jetzt haben die Vorbereitungen für die vierten „Skulptur Projekte Münster“ begonnen. Im Sommer 2007 will die Stadt und das Westfälische Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte „wieder zu einer weltweiten Referenzadresse für die systematische Auseinandersetzung mit Kunst im öffentlichen Raum werden“. Elf von 35 KünstlerInnen stehen schon fest, darunter Rosemarie Trockel, Hans Peter Feldmann und zum wiederholten Mal Michael Asher und Isa Genzken. Gearbeitet wird im ehemaligen Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte, um mitten in der Stadt das „concept in progress sichtbar und zugleich einem breiten Publikum plausibel“ zu machen“, wie die beiden aktuellen Kuratoren für 2007, Brigitte Franzen aus Münster und Kasper König aus Köln, ausdrücken.
Während Oberbürgermeister Berthold Tillmann (CDU) heute den Wandel zum „Erfolgsfaktor“ betont, der auch mit zum Gewinn des LivCom Awards als „lebenswerteste mittlere Großstadt“ beigetragen habe, geht es für die MacherInnen offenbar um eine Art dialektischen Spagat. „Wir wollen uns aus der Umarmung eines gewissen populistischen Erfolgs befreien“, sagt Kasper König. Wohl auch von einer glättenden Folklorisierung – vom Marketingfaktor. Neu im Konzept, so Carina Plath, Co-Kuratorin und Direktorin des Westfälischen Kunstvereins, sei die „Satellitenstruktur“, die Kooperation mit der Kunstakademie. Geplant seien hier Workshops und Vorlesungen. Die „Skulpturen Projekte Münster 07“ sollen zur „Langzeitstudie“ einer „exemplarischen wie untypischen“ Mittelstadt werden, die relativ wohlhabend, universitär geprägt, aber eben überschaubar ist. Um Prozesse der Urbanität soll es gehen, um „Spannungsfelder“ zwischen Öffentlichkeit und Privatheit.
Und um neue Marketing-Strategien in der Stadt. Immer mehr öffentliche Plätze in Münsters City – das ist erklärte Politik der schwarz-gelben Ratsmehrheit – werden gastronomisch privatisiert und ökonomisiert. Öffentliche Bänke weichen Cafétischen. Damit findet zwangsläufig auch eine Verdrängung sozial Randständiger zugunsten betuchter und zahlender Kunden statt. Es wird sich zeigen müssen, wie die „Skulptur Projekte 2007“ – selbst ein Kultur-Event – damit umgeht. Vielleicht mit der Arbeit von Andreas Siekmanns, der sich explizit mit diesem Thema beschäftigt. MARCUS TERMEER