: Abgeschoben, aufgeschoben, nicht aufgehoben
Weitere Kritik am Vorgehen der Ausländerbehörde gegenüber Afghanen. Innensenator Nagel will kein Hardliner sein
„Ich befürchte, er bringt sich eher um, als sich abschieben zu lassen“, sagte Rechtsanwalt Thorsten Buschbeck gestern nach einem Besuch bei seinem Mandanten Daved M. im AK Harburg. Der 22-jährige Afghane war am Freitag kollabiert, als er beim Verlassen der Ausländerbehörde im Beisein Buschbecks verhaftet wurde (taz berichtete). Er sei „von Weinkrämpfen geschüttelt“ gewesen, berichtete Ulrike Flader von der Flüchtlingsberatungsstelle Café Exil, die M. am Samstag besuchte. Die behandelnde Ärztin habe ihr mitgeteilt, dass der Patient „bis auf weiteres nicht entlassen werden könne“.
Buschbeck erneuerte seine Kritik an der Ausländerbehörde. M. wurde verhaftet, unmittelbar nachdem der Anwalt für ihn einen Asylfolgeantrag eingereicht hatte. „Ich habe noch keine Entscheidung darüber vorliegen“, sagte Buschbeck gestern Nachmittag. Die Festnahme seines Mandanten sei „ein klarer Rechtsverstoß“. Für heute und morgen sind nach taz-Informationen mehrere Dutzend Menschen in die Behörde vorgeladen worden. Flüchtlingshelfer befürchten deshalb Massenabschiebungen am Mittwoch.
Dagegen demonstrierten knapp 1.000 Menschen am Samstagmittag in der Innenstadt. Sie sei „berührt“ gewesen, so die GAL-Abgeordnete Antje Möller, „wie stark sich diese Menschen als Hamburger fühlen“. Viele der knapp 15.000 AfghanInnen in der Hansestadt leben seit mehr als zehn Jahren hier, fast zwei Drittel gelten selbst der Innenbehörde als „gut integriert“. Von Abschiebung direkt bedroht sind etwa 5.600 Flüchtlinge, die seit weniger als sechs Jahren hier leben.
Möller ließ durchblicken, dass die grüne Bundestagsfraktion Hamburgs Abschiebungen nach Afghanistan in der rot-grünen Koalition in Berlin erörtern wolle. Die GAL-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk werde dies dort zum Thema machen. Übermorgen wird sehr wahrscheinlich auch die Bürgerschaft in der Aktuellen Stunde darüber debattieren.
Ein Abkommen zwischen Deutschland und der Regierung in Kabul sei dringend erforderlich, bekräftigte Möller erneut ebenso wie die SPD-Abgeordnete Aydan Özoguz. „Die Menschen brauchen Klarheit darüber, wer hier bleiben kann“, so Özoguz. Ein transparentes Bleiberecht und eine Regelung für Härtefälle forderte sie – auch von Bundes-innenminister Otto Schily (SPD), der sich bislang hinter die harte Linie des Hamburger CDU-Senats gestellt hat.
Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) beteuerte derweil gegenüber dpa, „kein Hardliner“ zu sein, sondern „nach Recht und Gesetz“ vorzugehen. Zu den bisher gescheiterten Abschiebeversuchen sagte Nagel: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“ Sven-Michael Veit