: Was bleibt, wenn Konny geht?
Die Journalisten der taz hielten sich und ihre Artikel gern für das Superwichtigste. Was für ein Irrtum
Von Stefan Kuzmany
Lange wollte ich es nicht wahrhaben, aber hilft ja nichts: Es war alles sinnlos. Was haben wir uns für Gedanken gemacht über Texte und Schlagzeilen! Wie viel Bier ist geflossen bei der imaginierten Neuverteilung von Ressortleitungen und Chefredaktionsposten, bis endlich genau die richtige Person die Geschicke der taz lenken und sie zum Erfolg führen würde!
Erst viele Jahre später habe ich begriffen: Darauf kam es nie auch nur im Geringsten an. Texte, Zeilen, Redaktion, ja die ganze Zeitung – vollkommen irrelevant. Tatsächlich war diese Tageszeitung taz immer nur die vergleichsweise unbedeutende Unterabteilung einer viel größeren und wichtigeren Organisation: der Genossenschaft. Und die Genossenschaft war Konny Gellenbeck. Wäre die taz, sagen wir mal, Großbritannien, Konny wäre ihre Queen. Schon immer da gewesen, hat zahllose Chefinnen und Chefs unter sich kommen und gehen gesehen, und völlig wurscht, was die da für Blattreformen anrichteten und sich wichtig taten in Leitartikeln und Talksendungen: Die Grundsätze der taz, die ja eigentlich keine Zeitung ist, sondern eine Idee, wurden stets gewahrt von der Genossenschaft und verkörpert von ihrem Genossenschaftsoberhaupt.
Konnys ewige Herrschaft ruhte auf drei Säulen.
Erstens: Solidarität.
Zweitens: Der Versand von Bio-Schokolade und TOM-Kalendern an Freunde des Hauses zur Weihnachtszeit.
Und drittens: Der Abdruck des TV-Programms in Mikroschrift auf der Medienseite. Das war es, was die Genossinnen und Genossen wollten und brauchten, nicht mehr und nicht weniger.
Seitenlange Kongo-Analysen? Witzig gemeinte Kolumnen? Geniale Schlagzeilen? Kann schreiben und lesen, wer mag! Wichtig allein war und ist der stetige Fluss des Geldes aus den Taschen wohlhabender Linker, damit der Laden weiter lief und diese wunderliche Truppe von taz-Machern und -Macherinnen ihre Miete bezahlen konnte.
Auf einer Weihnachtsfeier nahm mich Konny einmal beiseite und erläuterte mir ihr Verständnis der Verhältnisse: Wir jungen Leute würden kommen und hier unseren Spaß haben und lernen – und dann irgendwann wieder gehen. Aber sie würde bleiben. Damals dachte ich noch: Wollen mal sehen. Ein paar Jahre später war ich weg und Konny immer noch da.
Heute frage ich mich: Wenn Konny jetzt geht – was bleibt dann von der taz?
Stefan Kuzmany, 1996 bis 2010 taz Redakteur, konnte mehrfach nur dank der großzügigen Nebeneinkünfte für die Verfassung von Geno-Werbebriefen der Privatinsolvenz entgehen.
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