: Neue Verwirrung im Motassadeq-Prozess
US-Behörden kommen deutscher Bitte nach zusätzlichem Beweismaterial für den Hamburger Terrorprozess nach. Aber die Zusammenfassung von eigenen Verhören, die sie jetzt geschickt haben, dient nicht der Klärung der offenen Fragen
VON ASTRID GEISLER
Was hat die Bundesregierung nicht alles versucht: Innenminister Otto Schily sprach in Washington vor, auch Justizministerin Brigitte Zypries. Die Bitte: Die Bush-Regierung möge mehr Beweise für die Hamburger Terrorprozesse gegen mutmaßliche Helfer der Attentäter vom 11. September 2001 herausrücken. Denn die Indizienkette der Anklage ist dünn, die Chancen für einen Schuldspruch stehen schlecht. Nun haben die USA neue Unterlagen geschickt. Sie sollen morgen im Prozess gegen den Marokkaner Mounir al-Motassadeq verlesen werden. Doch wie es aussieht, hat Washington den deutschen Anklägern damit keinen Gefallen getan.
Wie schon zum Prozessauftakt im August bekam das Gericht keine Verhörprotokolle. Stattdessen kabelte Washington eine sechsseitige Zusammenfassung über Aussagen zweier Häftlinge, darunter der von den USA festgehaltene mutmaßliche Terrordrahtzieher Ramsi Binalshibh. Laut Reuters enthält dieses Dokument keine Aussagen, die den Angeklagten Motassadeq belasten. Dieser werde nur an einer Stelle erwähnt – und von seinem früheren Kumpel Binalshibh in Schutz genommen.
Zudem widersprechen die Aussagen offenbar erneut der These der Anklage, wonach der Plan für die Flugzeugattentate schon 1999 von der Studentengruppe in Deutschland ausgeheckt wurde. Mit dieser Gegenmeinung befinden sich die Zeugen in bester Gesellschaft: Auch Verfassungsschutzchef Heinz Fromm vertritt die These, die Terroristen hätten den Anschlagsplan erst später von einer Reise in ein afghanisches Al-Qaida-Lager mitgebracht. Was aber bringt die Post aus Washington dem Hamburger Gericht? Nachdem der Bundesgerichtshof den ersten Schuldspruch gegen Motassadeq aufhob, versuchen die Richter im zweiten Anlauf zu klären, welche Rolle der ehemalige Elektrotechnik-Student bei der Planung der Anschläge spielte. Die Anklage wirft dem 31-Jährigen die Beihilfe zum Mord an mehr als 3.000 Menschen vor. Die Verteidigung fordert Freispruch.
Davon abgesehen, dass die neuen US-Unterlagen zur Klärung der Schuldfrage wenig sagen, ist ihre Beweiskraft fragwürdig. Die US-Behörden zweifeln genau wie die Karlsruher Ankläger an der Glaubwürdigkeit eines Mannes wie Binalshibh, der sich rühmte, die Anschläge vom 11. September mitorganisiert zu haben. Die Verteidiger wiederum prangern Washingtons Umgang mit Binalshibh an: Die USA halten ihn seit seiner Festnahme an unbekanntem Ort gefangen und verhören ihn.
In einem Punkt schafft die Post aus Washington Klarheit: Die US-Behörden hätten nicht vor, weiteres Material zu liefern, steht in einem Begleitbrief.