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Schmoren, bis es zart wird

Ochsenschwanz und Ochsenbäckchen sind eine nachhaltigere Wahl als Filet. Zusammen mit Gemüsepasteten und Antipasti ergeben sie ein buntes Festtagsessen

Das Gemüse bringt Farbe auf den Teller: Ochsenbäckchen mit Bohnen und Brokkoli Foto: Sergey Nazarov/Alamy/mauritius images

Von Lisa Shoemaker

Es ist eine Zwickmühle. Einerseits schadet Fleischkonsum dem Klima. Andererseits fällt der Verzicht auf Fleisch an den Feiertagen besonders schwer. In diesem Rezept probieren wir einen Kompromiss: Nose-to-tail-Eating.

Weil nämlich bestimmte Teile des Rinds, wie etwa Filet, besonders gern gegessen werden, bleiben andere, weniger nachgefragte Teile oft übrig. Genau die nutzen wir für unser Weihnachtsmenü. Und bremsen damit die Verschwendung.

Filet & Co sind auch deshalb so beliebt, weil sie zart sind – es handelt sich um Muskeln, die wenig bewegt werden. Muskeln, die häufiger eingesetzt werden, sind zäher – aber nur auf den ersten Anschein. Denn auch sie können butterweich werden, wenn man sie lange genug schmort. Dafür wird man belohnt: Denn sie haben mehr Geschmack.

Zugegeben, man braucht etwas Geduld. Schmoren erfordert aber insgesamt wenig Arbeit, und es besteht (fast) keine Gefahr des Anbrennens oder des zu langen Garens. Man muss nur gelegentlich nachsehen, ob noch genug Flüssigkeit im Bräter ist. Und am nächsten Tag könnt ihr es ohne Qualitätsverlust aufwärmen.

Die zähesten Muskeln am Rind sind die Backen, bei den Wiederkäuern sind sie schließlich ständig im Einsatz, und der Schwanz, mit dem die Fliegen vertrieben werden. Und die greifen wir uns für unser Nose-to-tail-Festtagsessen. Beziehungsweise, in diesem Fall, Cheek-to-tail.

Doch was ist mit den unattraktiven Sehnen, die den Braten durchziehen? Keine Sorgen, auch die werden butterweich. Dieses Bindegewebe besteht aus Kollagen. Während des Schmorens zersetzt es sich langsam und verwandelt sich in Gelatine. Sind Knochen im Spiel, etwa bei Ochsenschwanz, Rinderhesse und Querrippe, macht das die Sauce noch sämiger.

Idealerweise reibt ihr das Fleisch einen Tag vor der Zubereitung kräftig mit Salz und Gewürzen eurer Wahl ein und lagert es im Kühlschrank. Ein bis zwei Stunden vor dem Kochen nehmt ihr es heraus und lasst es auf Zimmertemperatur kommen.

Bratet das Fleisch rundum an. Während es bräunt – und es bräunt am besten, wenn man es wenig bewegt – richtet den Bräter/Schmortopf her: ein wenig Olivenöl, darauf verteilt ihr Wurzelgemüse, zwei bis drei Lorbeerblätter, Pfefferkörner und wenn gewünscht Wacholderbeeren, Karotten und andere Wurzeln sowie halbe Zwiebeln. Damit bereitet ihr dem Fleisch gewissermaßen ein Bett. Legt das Fleisch, Ochsenbacken oder Ochsenschwanz, darauf, und gießt Rotwein an. Er sollte das Gargut jedoch nicht völlig bedecken. Verschließt den Topf mit einem Deckel oder zur Not mit Alufolie, es gibt inzwischen Folie zu kaufen, die zumindest teilweise aus recyceltem Alu besteht. Schiebt das Ganze bei ca. 140 °C für drei bis vier Stunden in die Röhre. Sie braucht nicht vorgeheizt zu sein, bei der Länge des Verbleibens im Ofen spielt das keine Rolle. Danach solltet ihr eure Ochsenbacken mit einer Gabel zerteilen können. Wenn nicht, schmort weiter! Beschleunigen könnt ihr den Vorgang, indem ihr einen Schnellkochtopf einsetzt.

Ein Nachteil des Schmorens ist freilich, dass das braune Ergebnis ein bisschen unansehnlich ist. Für ein Festmahl, bei dem das Auge mitisst, könnt ihr dafür die vegetarischen Gerichte zum Glänzen bringen. Zum Beispiel, indem ihr sie hübsch verpackt und in einen Teig hüllt.

Geschmacklich am besten ist ein Mürbeteig, der einen hohen Butteranteil besitzt oder Blätterteig. Damit legt ihr eine Muffinform aus und füllt sie mit Gemüse, das ihr gekocht und abgeschmeckt habt:

Spinat mit Zwiebeln und Knoblauch, getoppt mit Feta.

Fenchel, den ihr mit etwas Vermouth oder Weißwein und ein paar Kardamomkapseln 40 Minuten weichgeschmort habt, getoppt mit Taleggio.

Kürbismus, gewürzt mit Parmesan und Muskat oder spanischem Pimentón de la Vera.

Für eine festere Konsistenz könnt ihr zwei Eier mit einem Becher Sahne verquirlen und über das Gemüse geben.

Wenn ihr zwar mit Genuss, aber schlechtem Gewissen im Hinterkopf Fleisch esst, dann verringert doch einfach die Menge und macht’s wie früher, oder wie heute noch in Italien üblich: Esst vorweg eine leckere Suppe und/oder tischt Gemüse-Antipasti auf.

Schmoren erfordert wenig Arbeit, und es besteht fast keine Gefahr des Anbrennens

Dazu legen wir rote oder gelbe Paprika, ganz und gewaschen, bei 180 °C in den Ofen. In 35–45 Minuten werden sie kollabieren, dann nehmen wir sie heraus und bedecken sie mit einem Tuch. Wenn sie halbwegs abgekühlt sind, lassen sie sich gut schälen. Wir fangen den Saft auf, der dabei austritt. Den mischen wir mit Salz, Pfeffer und Olivenöl, reiben etwas Knoblauch hinein. In diesem Dressing lassen wir die Paprika marinieren. Ein paar Kapern oder Oliven passen gut dazu.

Nächste Idee: Zucchini in etwa 0,5 cm dicke Scheiben schneiden, leicht einsalzen und 15 Minuten ziehen lassen. Danach abspülen, trockentupfen und in Olivenöl beidseitig braten. Mit Zitronensaft beträufeln. Fertig.

Blumenkohl macht sich gut mit einer Marinade aus Olivenöl, Salz und Gewürzen, etwa scharfe nordafrikanische Harissapaste, koreanisches Gochujang oder Kreuzkümmel und Muskat. Die Röschen darin wenden, sodass sie rundum bedeckt sind, ab in den Ofen (zu den Paprika) und nach 20–25 Minuten anpiksen. Sie sollten noch eine angenehme Festigkeit haben.

Und voilà, haben wir eine Auswahl an Gemüse-Antipasti und Pasteten, die zusammen mit den nachhaltig geschmorten Ochsenbacken ein buntes Festtagsmenü ergeben!

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