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Archiv-Artikel

„Das hat mich erschüttert“

Christian Ströbele (Grüne) hätte sich lieber mit anderer Politik in der Regierung bewährt. Ob er noch mal als Direktkandidat in Friedrichshain-Kreuzberg antritt, will er in den nächsten Tagen klären

Interview Plutonia Plarre

taz: Herr Ströbele, wie haben Sie die Nachricht aufgenommen, dass es Neuwahlen geben wird?

Christian Ströbele: Das hat mich erschüttert.

Freuen Sie sich nicht, dass es in der Bundesrepublik endlich wieder klare Verhältnisse gibt?

Die Frage ist nur, klare Verhältnisse für wen?

Zum Beispiel für Christian Ströbele, den Oppositionellen im eigenen rot-grünen Regierungslager.

Ich hätte es besser gefunden, wir bewähren uns in der Regierung, indem wir eine andere Politik machen.

Dazu war doch Zeit genug.

Warum soll man nicht lernen? Die Wähler versuchen uns seit zehn Wahlen zu vermitteln, dass sie mit erheblichen Teilen unserer Politik nicht einverstanden sind. Da müssen wir jetzt Schlussfolgerungen draus ziehen.

Und die wären?

Wir Grüne müssen klar sagen: Wir haben verstanden. Mit der ständigen Senkung von Unternehmens- und Erbschaftssteuer und der Steuer für die Spitzenverdiener geht das nicht weiter. Wir müssen ein Investitionsprogramm auflegen. Auch für Berlin. Auch für meinen Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg.

Sie gehören zu der kleinen grünen Minderheit, die gegen die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe gestimmt hat. Was soll mit Hartz IV geschehen?

Auch bei Hartz IV muss nachgebessert werden. In Teilbereichen haben wir damit ja schon angefangen.

Sie sind der einzige Grüne, der jemals per Direktmandat in den Bundestag kam. Werden Sie im Sommer 2005 wieder antreten?

Das muss ich in den nächsten Tagen mit meiner Parteibasis klären, bevor ich mich öffentlich dazu äußere. Ursprünglich wollte ich das erst am Jahresende entscheiden. Aber die Situation hat sich ja nun ziemlich verändert.

In zwei Wochen werden Sie 66. Ihr Wahlkampf 2002 um ein Direktmandat war eine ganz schöne Ochsentour. Wollen Sie sich das noch mal antun?

Stimmt. Das war ziemlich schwierig und sehr, sehr anstrengend. Ich gehe aber davon aus, dass der neue Wahlkampf anders wird. Wenn ich für den Bundestag antrete, würde ich aber wieder direkt kandidieren.

Ohne zusätzliche Absicherung auf der Landesliste?

Über die Einzelheiten möchte ich erst mal mit der Basis reden. Es gibt bestimmt auch noch andere hervorragende KandidatInnen.

Kann sich der Politikjunkie Ströbele ein Leben ohne Bundespolitik überhaupt noch vorstellen?

Sehr gut sogar. Nachdem ich von 1985 bis 1987 im Bundestag war, habe ich schließlich vier Jahre intensiv in der Bezirksverordnetenversammlung Tiergarten Politik gemacht.

Eine schwarz-gelbe Bundesregierung – was für eine Vorstellung verbinden Sie damit?

Dass wir uns auf einiges gefasst machen müssen, was neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik angeht. Dass Dinge passieren werden, an die man zurzeit noch gar nicht zu denken wagt.