WASG muss sich sputen

Frühe Bundestagswahl stellt neue Linkspartei vor große Probleme

DÜSSELDORF taz ■ Hüseyin Aydin studiert gerade seine eigene Pressemitteilung. Mit einer Zigarette in der Hand überprüft der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Wahlalternative Arbeit & Soziale Gerechtigkeit (WASG) die Sprachregelung, dass seine Partei ein „achtbares Ergebnis“ errungen habe, das eine „gute Basis“ für die Bundestagswahl 2006 darstelle. Dann erscheint Franz Müntefering auf der Großbildleinwand in der Bar „Nomi“ am Düsseldorfer Medienhafen – und kündigt Neuwahlen an. Aydins Pressemitteilung ist wertlos. „Der Oberhammer“, entfährt es ihm. Neben ihm ruft eine Kollegin: „Das geht doch gar nicht!“

2,2 Prozent der Stimmen hat die WASG in Nordrhein-Westfalen geholt. Viel weniger zwar als die erhofften fünf Prozent. Viel mehr aber als die Konkurrenz um Platz fünf im größten Bundesland, die PDS und die NPD. „Ich hätte lieber drei Prozent gehabt“, sagt der Spitzenkandidat Jürgen Klute, Sozialpfarrer aus Herne.

Aber was zählt das schon, wenn man als neue Partei nur ein halbes Jahr Zeit hat, um sich auf eine Bundestagswahl vorzubereiten? „Anders wär es mir lieber“, sagt Klaus Ernst, einer von vier Bundesvorsitzenden der WASG. „Aber wenn es schon im September so weit ist, werden wir uns stellen.“ Man könne den Menschen nicht „die Wahl zwischen Pest und Cholera überlassen“. NRW-Spitzenkandidat Klute spricht von einem „Anti-Neoliberalen-Projekt“, dass man Rot-Grün und Schwarz-Gelb entgegensetzen müsse – „parlamentarisch und außerparlamentarisch“.

Für den Aufbau des parlamentarischen Projekts läuft der WASG nach Schröders und Münteferings Neuwahl-Coup die Zeit davon. Um 2,8 Prozent im Vergleich zu NRW müsste sich die Partei steigern, um in Berlin nicht an der Fünfprozenthürde hängen zu bleiben. Ein fast unmögliches Unterfangen: Anders als in NRW fehlt der aus linken Gewerkschaftern, Montagsdemonstranten und frustrierten SPDlern zusammengewürfelten Partei eine Basis. „Vor allem im Osten sind wir schwach“, gibt Bundesvorstand Ernst zu. Eine Kooperation mit der im Osten starken PDS bietet sich für die WASG deshalb an: Es ist das Horrorszenario der Linken, mit zwei Parteien den Einzug ins Parlament zu verfehlen. „Wir müssen jetzt neue strategische Optionen prüfen“, sagt Ernst. Nur auf einer Liste der PDS anzutreten, das will er nicht. „Politisch tot“ sei die Partei dann.

Doch allein wird es für die WASG schon aus organisatorischen Gründen schwer, bis zum September eine Bundestagswahl anzugehen. Die unter Finanzproblemen leidende Partei kommt frühestens Anfang 2006 in den Genuss von Wahlkampfkostenerstattung. Zudem haben sich noch nicht einmal alle Landesverbände der Linkspartei konstituiert. Das allerdings ist Grundvoraussetzung für eine Teilnahme an der Bundestagswahl, Gleiches gilt für das Sammeln von Unterstützerunterschriften. Bei regulären Wahlen sind in den größeren Bundesländern je 2.000 Namen nötig, dieses Mal könnten jedoch weniger reichen. „Wahrscheinlich gibt es ein verkürztes Verfahren“, heißt es im Büro des Bundeswahlleiters. Genaues wisse man aber auch noch nicht: „Das mit den Neuwahlen hat uns getroffen wie ein kalter Guss.“

WASG-Chef Ernst ist sich dennoch sicher, dass man zur Not auch ohne Bündnispartner antreten könne. „Wir schaffen das ganz sicher“, sagt er. Für einen Erfolg, das weiß er, bräuchte er prominente Mitstreiter – ob sie nun Ottmar Schreiner heißen, Gregor Gysi oder Oskar Lafontaine. Der allerdings ziert sich weiter: Er wolle erst einmal abwarten, wie die SPD nun reagiere, sagte er am Sonntag bei Christiansen. WASG-Chef Ernst hat allerdings wenig Lust, noch lange zu warten: „Ich will kein Ultimatum setzen“, sagt er. „Aber alle, die in Deutschland eine linke Politik wollen, sind jetzt an dem Punkt, wo sie sich bekennen müssen.“ KLAUS JANSEN