Altersarmut weghören!

MUSIKRAT Heilquelle für Körper, Geist und Seele

Die Pressemitteilungen des Deutschen Musikrats sind normalerweise von jener Art, die man auch mal überblättern kann. Wenn dann eine kommt, deren Betreffzeile „Fokus: Musik im Alter“ lautet, so freut man sich, denn das ist wenigstens mal komisch.

Dass „Musik im Alter“ einer besonderen Förderung bedarf, hätte man gar nicht gedacht. Wenn man sich in den Konzertsälen des Landes umsieht, muss eindeutig der Eindruck überwiegen, dass die ältere Generation zumindest bei der Rezeption von klassischer Musik die Jungen mühelos an die Wand spielt.

Aber um die wohlsituierten Philharmonie-Abonnenten geht es ja auch gar nicht. „Vor dem Hintergrund der zunehmenden Altersarmut sind alle gesellschaftlichen Gruppen gefordert, Musik als Heilquelle für Körper, Geist und Seele zu ermöglichen“, erfahren wir weiter. Und das ist eigentlich nur noch auf den ersten Blick komisch.

Musik als Konzept gegen die Härten der Altersarmut zu empfehlen, scheint zwar politisch fahrlässig, „Musik als Heilquelle“ naiv esoterisch. Ist es nicht längst erwiesen, dass Kühe eben nicht mehr Milch geben, wenn sie Mozart hören? (Der wurde im Übrigen auch nicht alt.)

Trotzdem ist das Anliegen, das dahintersteht, nicht verkehrt. Altsein kann mit Musik nur besser werden. Aber das gilt ganz allgemein für das Leben an sich. Im Übrigen gibt es auch unter alten Menschen solche, die in der Lage sind, Musik zu schätzen, und solche, die es nicht sind.

Wollte man also etwas für die Alten tun, so täte man besser daran, zu fordern, dass auch im Alter allen Menschen ermöglicht wird, Tätigkeiten auszuüben, die ihnen Freude bereiten. Aber den Musikräten sollte ohnehin in erster Linie die Musik am Herzen liegen. Und was ist das überhaupt: Musik?

Offensichtlich etwas, das „präventiven, pflegenden und künstlerischen Einsatz“ erfahren kann, wobei, wie die Reihenfolge deutlich macht, das Künstlerische beim Einsatz in der betagten Zielgruppe als eher nachrangig betrachtet wird.

Aber stimmt schon: Das Gehör lässt ja mit den Jahren ohnehin stark nach. Großartig an der alternden Gesellschaft ist immerhin, dass sie neue Berufsfelder eröffnet.

Wenn sich der präventive und heilende Musikeinsatz in der Altenpflege erst flächendeckend etabliert hat, müssen MusikerInnen nie mehr arbeitslos sein. Wer den Traum von der großen Solokarriere begraben hat, sucht sich halt einen zukunftssicheren Job in der Musikgeragogik. KATHARINA GRANZIN