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Archiv-Artikel

Die verdammte Arbeit

Die Union will das gescheiterte rot-grüne Programm für mehr Jobs wiederholen. Einziger Unterschied: niedrigere Löhne

VON HANNES KOCH

Die Union hat ihr Regierungsprogramm für die ersten 100 Tage im Grundsatz schon formuliert. „Der Schlüssel liegt in Neuseeland“, sagt Steffen Kampeter, haushaltspolitischer Sprecher der Union: „Flexibilisierung ist der Oberbegriff.“ Das klingt modern und hoffnungsfroh genug, um einen Wahlkampfslogan abzugeben.

In Neuseeland hatte eine konservative Regierung in den 90er-Jahren das alte Sozialsystem mal ordentlich durchgepustet. Ähnliche Gedanken hat die Union in ihrem „Pakt für Deutschland“ niedergelegt, der im vergangenen März für den Jobgipfel mit der SPD formuliert wurde. Dieser Pakt gibt das Gerüst ab für die Aktivitäten eines möglichen Superministers für Wirtschaft und Finanzen, der Edmund Stoiber (CSU) heißen könnte.

Mehr Arbeitsplätze – aber wie? Das ist die entscheidende Frage, die Rot-Grün in sieben Jahren nicht beantworten konnte. „Wir wollen uns jederzeit – nicht erst in vier Jahren daran messen lassen –, in welchem Maße wir zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen“, hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder in seiner ersten Regierungserklärung am 10. November 1998 gesagt. Wie man weiß, funktionierte es nicht. Die Zahl der Erwerbslosen stieg unentwegt – auf zuletzt fünf Millionen Menschen.

Nun treibt die Union dasselbe Problem um. Wenn Schwarz-Gelb im Wahlkampf bis September den Eindruck zu erwecken versteht, man hätte eine bessere Antwort als Rot-Grün, wird das die Wahlchancen erhöhen. Aber auch das Schicksal der Union in der Regierung hängt davon ab, wie erfolgreich sie bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit tatsächlich sein wird.

„Flexibilisierung“ ist ein Zauberwort, doch der Inhalt erscheint simpel: Die Beschäftigten in den Firmen sollen mit geringeren Löhnen dazu beitragen, dass mehr neue Jobs entstehen. Das ist die zentrale Botschaft, wenn die Union „betriebliche Bündnisse für Arbeit“, „untertarifliche Entlohnung“, „längere Arbeitszeiten“ und ein „modernes Kündigungsschutzrecht“ ankündigt. Diese Wirtschaftspolitik wäre darauf angelegt, den Anreiz zur Einstellung von Arbeitslosen für die Unternehmen zu erhöhen – entsprechend der Logik: geringerer Lohn, mehr Umsatz, höherer Gewinn.

Die „Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ist der größte Wachstumstreiber“, sagt Steffen Kampeter und formuliert damit seine zugrunde liegende Hoffnung: mehr Wachstum, mehr Geld. Mit einer Art magischem Startschuss hofft die Union, die wirtschaftliche Lage zu wenden und damit alle sonst noch beabsichtigten Reformen zu ermöglichen.

Erstens: die Sanierung des Bundeshaushalts. Da vermutet CDU-Finanzsprecher Michael Meister schon Fürchterliches. Er kalkuliert mit einem strukturellen Defizit im Zahlenwerk von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) von über 40 Milliarden Euro. Zweitens: die Senkung der Lohnnebenkosten, die die soziale Sicherung finanzieren. Um neue Jobs zu schaffen, ist das ein entscheidender Schritt, denn hohe Sozialbeiträge machen es für die Firmen unattraktiv, Leute einzustellen. Aber auch diese Maßnahme kostet Geld. Ebenfalls nicht umsonst ist das dritte Vorhaben: Steuersenkung und -vereinfachung. Die Union hat sich schon jetzt darauf festgelegt, dass sowohl die Steuern für Unternehmen als auch die für die Bürger nochmals sinken sollen. Die Absicht an dieser Stelle: Wer mehr Geld in der Tasche hat, gibt mehr aus, sodass Wirtschaftswachstum und Jobzuwachs unter dem Strich stehen würden.

Das Erstaunliche an dem Programm der Union ist: Rot-Grün probierte es auf dieselbe Art – und ging baden. Der größte Fehler der Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder war es wohl, drei teure Maßnahmen gleichzeitig anzupacken: die Sanierung des Haushalts, die Senkung der Lohnnebenkosten und die Reduzierung der Steuern. Eines der drei Ziele hätte vollauf gereicht. Die deutschen Sozialbeiträge sind im internationalen Vergleich tatsächlich zu hoch, ihre Reduzierung stellt den wichtigsten Hebel dar, um konkurrenzfähige Jobs zu schaffen.

Nur in einem Punkt unterscheidet sich der konservative „Pakt für Deutschland“ von dem erfolglosen rot-grünen Mammutprojekt – und das ist die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Die konnte und wollte die SPD nicht leisten, weil sie die eigene Stammklientel unter den Jobbesitzern zu stark getroffen hätte. An diesem Punkt dürfte die Union zusammen mit der FDP deutlich freier und unbeschwerter agieren.

Diese Strategie für Wachstum und Jobs kann funktionieren, muss aber nicht. Dagegen spricht, dass schon in den vergangenen Jahren die Lohnkosten gegenüber den Gewinnen zurückblieben, ohne dass sich das als Zuwachs von Beschäftigung bemerkbar gemacht hätte.

Bleibt eine letzte Hoffnung, die bei jedem Regierungswechsel eine gewisse Rolle spielt. „Die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte werden positiv beeinflusst“, sagt Unionspolitiker Kampeter. Soll heißen: Die Unternehmen investieren mehr, weil sie sich über eine wirtschaftsfreundliche Regierung freuen. Und die Konsumenten kaufen mehr ein, weil sie mit Steuersenkungen rechnen. Mal sehen.