: Mord wird zum Streitfall
VERBRECHEN Verdächtiger im Mordfall der 11-jährigen Lena wird aus U-Haft entlassen. Die Polizei kassiert Kritik für die indiskrete Verhaftung
EMDEN dpa/taz | Der im Emdener Mordfall verdächtigte 17-jährige Berufsschüler ist aus der Untersuchungshaft entlassen worden, weil er laut Polizei doch nicht der Mörder der 11-jährigen Lena sein kann. Zuvor hatten empörte Bürger zum Lynchmord an dem Verdächtigen aufgerufen. Deshalb wird jetzt Kritik am Vorgehen der Polizei laut.
„Die Festnahme war kein Fehler“, weist Bernhard Südbeck, Leitender Oberstaatsanwalt, die Kritik zurück. Auch der Haftbefehl habe beantragt werden müssen, weil zu diesem Zeitpunkt dringender Tatverdacht bestanden habe. Inzwischen sieht die Sache anders aus: „Wir haben Fakten vorliegen, die eine Täterschaft des Jugendlichen ausschließen“, erklärte der Anwalt nach der Freilassung des Berufsschülers am Freitag.
Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, wirft der Polizei hingegen „gravierende Fehler“ bei der Verhaftung des 17-Jährigen vor. Der Jugendliche sei trotz dürftiger Verdachtsmomente öffentlich in Handschellen vorgeführt worden. Damit habe die Polizei unnötige Aufmerksamkeit erregt. Die Verhaftung wäre diskreter möglich gewesen. Pfeiffer macht die Polizei für Denunziationen im Internet mitverantwortlich.
In sozialen Netzwerken waren nach der Verhaftung des Jugendlichen Hassparolen aufgetaucht. Außerdem wurden Name und Anschrift des Verdächtigen verbreitet. Vor einer Polizeiwache sammelten sich rund 50 Personen und riefen unter anderem zum Lynchmord auf.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte am Freitag vor Vorverurteilungen im Internet und fordert Konsequenzen für die Beteiligten. „Wer hinter den Lynchaufrufen steckt, muss die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen.“ Es dürfe nicht toleriert werden, dass „einige soziale Netzwerker glauben, in unserem Rechtsstaat Wildwestmethoden wiederbeleben zu dürfen.“
Die 11-jährige Lena war am vergangenen Samstag tot in einem Emdener Parkhaus aufgefunden worden. Die Polizei verhaftete den Jugendlichen aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung. Am Freitag wurde Lena beerdigt. KOA