„Kleine Brötchen backen“

Rose-Marie Seggelke ist die neue Landesvorsitzende der GEW. Sie will die Gewerkschaft verjüngen, interne Strukturen attraktiver machen und über neue Arbeitszeitmodelle für Lehrer nachdenken

INTERVIEW SABINE AM ORDE

taz: Frau Seggelke, Sie sind neue Landesvorsitzende der GEW. Was werden Sie ändern?

Rose-Marie Seggelke: Ad hoc nicht sehr viel. Aber ich habe den Opitimismus, dass sich mittelfristig in der GEW einiges ändern wird. Und auch im Verhältnis der Gewerkschaft zur Politik. Das liegt aber weniger daran, dass ich jetzt Vorsitzende bin, sondern dass durch Studien wie Pisa die Akzeptanz unserer bildungspolitischen Ziele in der Politik zugenommen hat. Ich denke da an den Parteitagsbeschluss der SPD zu einer Schule für alle. Das ist eine Forderung, die die GEW seit 20 Jahren hat.

Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Mein eindeutiger Schwerpunkt ist eine Verjüngung der Mitgliedschaft der GEW, daran arbeite ich schon seit vielen Jahren. Dann will ich die gewerkschaftlichen Strukturen verändern, damit sie attraktiver werden. Vieles läuft bei uns sehr formal ab. Gewerkschaftspolitik muss aber Spaß machen. Dafür brauchen wir zum Beispiel zeitlich begrenzte Arbeitsgruppen zu einem Thema. Viele unserer Mitglieder denken, wenn man hier mitarbeitet, muss man sich gleich für Jahre festlegen. Außerdem wollen wir das Bündnis mit Eltern, SchülerInnen, LehrerInnen, StudentInnen wieder stärken und unseren Einfluss auf die politischen Parteieien erhöhen.

Ihr Vorgänger Ulrich Thöne gilt als altlinker Kopfmensch, sein Vorgänger Erhard Laube eher als …

… Sunnyboy …

und als pragmatischer Realpolitiker. Wo sehen Sie sich?

Als gesunde Mischung von beiden. Ich habe auch eine altlinke Vergangenheit, bin eine 68erin, aber ich bin – wie Erhard Laube – Grundschullehrerin und habe daher sicher die Fähigkeit auch Menschen anzusprechen, die nicht auf höheren Sphären schweben. Ich benenne Dinge, die ich ändern will, gerne konkret. Ich habe nicht die ganz großen Ziele, ich sage eher: In dieser Zeit muss die GEW kleine Brötchen backen, das aber erfolgreich.

Was heißt das?

Kleinere Aktionen machen, die medienwirksam sind, kleinere Bündnisse schließen und nicht sofort am Umschwung arbeiten.

Ist das eine Abgrenzung von Ihrem Vorgänger?

Nein, ich habe den Kurs von Uli Thöne unterstützt. Wie er meine ich, dass die Qualität von Bildung ganz entscheidend von den Arbeitsbedingungen der Menschen abhängt, die in der Bildung beschäftigt sind.

Sie kommen aus dem Gesamtpersonalrat. Skeptiker befürchten, dass es Ihnen mehr um die Interessensvertretung der Lehrer als um bildungspolitische Reformen geht.

Die Arbeit in einer Personalvertretung ist ganz eng mit der Bildungspolitik verknüpft. Wenn wir darauf drängen, dass mehr junge Leute in den Schulen eingestellt werden, dann ist das auch eine bildungspolitische Forderung. Für die bildungspolitischen Reformen, die im neuen Schulgesetz verankert sind und von denen ich einen Teil sehr sinnvoll finde, müssen auch die notwendigen personellen Mittel bereitgestellt werden.

Berlin hat aber kein Geld. Muss da eine Bildungsgewerkschaft, die die GEW ja sein will, nicht etwas flexibler reagieren – und zeigen, dass man auch unabhängig vom Geld eine bessere Schule machen kann?

Berlin hat Geld. Nur die öffentliche Hand hat es nicht. Da muss finanz- und wirtschaftschaftspolitisch umgedacht werden.

Es sieht nicht so aus, als würde das geschehen. Wenn Sie drei Wünsche an SPD-Bildungssenator Böger frei hätten, welche wären das?

650 Neueinstellungen. Dass er sich als Dienstherr der Lehrkräfte vor sie stellt und keine Betrugsmanöver gegen sie führt. Und dass er zeigt, dass er die Bildungspolitik macht und nicht Finanzsenator Sarrazin.

Und drei Wünsche an die GEW?

Viele Leute, die gemeinsam an einem Strang ziehen. Ein gutes Team für die nächsten drei Jahre. Der dritte Wunsch … Einen dritten Wunsch habe ich nicht.

Was ist mit inhaltlichen Veränderungen? Muss sich die GEW nicht endlich auch von heiligen Kühen trennen, damit es in der Bildung vorangeht?

Was meinen Sie damit?

Die Arbeitszeit der Lehrer zum Beispiel. Wenn man eine andere Schule im Kopf hat, muss man weg vom Stundenmodell hin zu Präsenzzeiten.

Das ist richtig. Wenn es nur noch Ganztagsgrundschulen gibt, müssen wir über andere Arbeitszeitmodelle für alle Lehrkräfte nachdenken. Diese Modelle dürfen aber keine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung bewirken.