: Plagiat bringt Präsident zu Fall
UNGARN Pál Schmitt tritt wegen abgekupferter Dissertation zurück. Seinen Abgang hatten auch regierungsnahe Medien und Vertreter der rechtsnationalen Partei Fidesz gefordert
VON RALF LEONHARD
WIEN taz | Jetzt also doch: Am Montagmittag hat Ungarns Präsident Pál Schmitt vor dem Parlament seinen Rücktritt erklärt: „Das Staatsoberhaupt verkörpert die Einheit der Nation. In der gegenwärtigen Situation fühle ich mich deshalb verpflichtet, das Mandat des Präsidenten zurückzugeben, wenn meine persönliche Angelegenheit mein geliebtes Land eher spaltet als vereint.“ Die Abgeordneten nahmen den Rücktritt an. Seit einem Vierteljahr stand der ehemalige Olympiasieger im Degen-Teamwettbewerb wegen einer Plagiatsaffäre unter Beschuss.
Am Donnerstag hatte ihm der Senat der Budapester Semmelweis-Universität die Doktorwürde aberkannt. Eine Kommission war zu der Erkenntnis gekommen, dass Schmitts Dissertation von 1992 fast zur Gänze abgeschrieben war. Die wahren Autoren wurden nicht einmal als Quelle genannt. Den größeren Teil hat Schmitt aus dem Bulgarischen übersetzen lassen, einen kleineren aus einer Arbeit des deutschen Soziologen Klaus Heinemann. Ein eklatanter Betrug, der mit einem „summa cum laude“ belohnt worden war. Deswegen hatte die Kommission die Schuld bei den „damaligen Verhältnissen“ gesucht und keine Empfehlung für eine Aberkennung des Titels abgegeben. Weder das Professorenkollegium noch der Senat der Semmelweis-Universität wollten sich dem anschließen. Als Schmitt für Freitagabend eine Erklärung im Fernsehen ankündigte, rechneten alle mit einem Rücktritt.
Umso überraschender dann der TV-Auftritt, bei dem er in einem Interview erklärte: „Mein Gewissen ist rein …“, obwohl die Prüfungskommission „einige Fehler fand“. Für einen Rücktritt sehe er keine Veranlassung.
Premier Viktor Orbán hielt die Angelegenheit damit für beendet und verhängte in seiner rechtsnationalen Fidesz ein Diskussionsverbot. Der Staatspräsident sei „unantastbar“. Er konnte aber nicht verhindern, dass einige Parteigenossen sich den Protesten der linken und rechten Opposition anschlossen. Die Grünenpartei LMP wurde bei einem Sitzstreik vor dem Präsidentenpalast von Abgeordneten der faschistischen Jobbik unterstützt. Und selbst die regierungsfreundliche Zeitung Magyar Nemzet legte Schmitt den Rücktritt nahe. Den erklärte zunächst nur Tivadar Tulassay, der Rektor der Semmelweis-Universität. Denn seit der Senat Schmitt den Doktorhut abgenommen habe, sei das Vertrauen des zuständigen Ministeriums für Human-Ressourcen in seine Person „spürbar geschwunden“.
In Ungarn kann der Staatspräsident Gesetze ans Parlament zurückverweisen. Von diesem Recht haben Schmitts Vorgänger auch Gebrauch gemacht. Er selbst hat auch bei den umstrittensten Gesetzen der letzten zwei Jahre nie mit der Wimper gezuckt. Manche Medien erklärten ihn dafür zum „Stempelkissen der Nation“. Der 69-Jährige will im Ruhestand zurück an die Universität, um sich aufs Neue einen Titel zu verdienen. Sollte es schiefgehen, bleibt ihm der Dr. honoris causa, den er letzte Woche in Korea verliehen bekam.