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Archiv-Artikel

Trotz Vetodrohung Niederlage für Bush

Gegen die Republikanerführung verabschiedet das Repräsentantenhaus ein Gesetz zur Stammzellenforschung

BERLIN taz ■ Nach einer langen und mit vielen persönlichen, teils unter Tränen vorgetragenen Anmerkungen gespickten Debatte hat das US-Repräsentantenhaus am Dienstag mit 238 zu 194 Stimmen einen Antrag verabschiedet, die bundesstaatliche Förderung für die Forschung an embryonalen Stammzellen auszudehnen. Präsident George W. Bush hatte bereits im Vorhinein angekündigt, ein entsprechendes Gesetz per Veto zu stoppen, sollte es auch im Senat eine Mehrheit finden. Es wäre das erste Mal seit seiner Regierungsübernahme, dass Bush von seinem Vetorecht Gebrauch macht. Mit einer Zweidrittelmehrheit könnte der Kongress das Veto überstimmen, die aber kam bislang nicht zustande.

Auch 50 republikanische Abgeordnete, sonst stets loyal zu ihrem Präsidenten und zum republikanischen Mehrheitsführer Tom Delay, stimmten für das Gesetz. Die republikanische Partei gilt in dieser Frage spätestens als gespalten, seit Nancy Reagan, die Witwe des an Alzheimer erkrankten republikanischen Parteiidols Ronald Reagan, öffentlich für die Forschung an embryonalen Stammzellen wirbt.

Nur Stunden vor der Abstimmung im Repräsentantenhaus hatte Bush im Weißen Haus einen Medienauftritt mit Eltern inszeniert, die dank Spenden „überzähliger“, bei künstlichen Befruchtungen entstandener Embryonen, zu Kindern gekommen waren. „Die Kinder hier erinnern uns daran, dass es keine überschüssigen Embryonen gibt“, sagte Bush. „Jeder Embryo ist einzigartig und genetisch vollständig, so wie jeder andere Mensch. Und wir alle haben unser Leben so begonnen. Diese Leben sind kein auszubeutendes Rohmaterial, sondern Geschenke.“ Der Auftritt sollte die Argumentation der Forschungsbefürworter kontern, man müsse keine Embryonen erzeugen, um Stammzellen zu extrahieren, sondern könne auf den eingefrorenen Überschuss künstlicher Befruchtungen zurückgreifen. Doch selbst mit dieser Inszenierung vermochte Bush die Abgeordneten nicht umzustimmen.

2001 hatte Präsident Bush gegen den erklärten Willen der Wissenschaftler in den USA die Bundeshilfe für die embryonale Stammzellenforschung stark eingeschränkt. Lediglich an bereits bestehenden Stammzelllinien durfte mit Bundesmitteln geforscht werden. Doch die Hoffnungen auf medizinische Erfolge bei der Behandlung bislang unheilbarer Krankheiten haben selbst in den von einer religiösen Wertedebatte geprägten USA die öffentliche Meinung umschwenken lassen: In allen jüngsten Umfragen sprach sich eine Mehrheit der Bevölkerung für die Stammzellenforschung aus.

Jetzt muss der Gesetzesentwurf im Senat abgestimmt werden – auch dort gilt eine Mehrheit als sicher. Fraglich ist nur, wann Senatssprecher Bill Frist die Abstimmung auf die Tagesordnung setzt. Noch hat sich die Aufregung über die Richternominierungen nicht gelegt, und gerade die konservative Seite übt sich in lautstarkem Lobbyismus und bombardiert die Senatoren, Frist allen voran, mit Faxen, Telefonanrufen und E-Mails. BERND PICKERT