: Obskures aus seiner Sammlung
ZEICHEN UND WUNDER Der Regisseur, Produzent, Filmverleiher, Drehbuchautor und Kameramann Wenzel Storch liest heute in der Bar 25, gemeinsam mit Jörg Buttgereit, aus seinem ersten Buch „Der Bulldozer Gottes“
VON JENNI ZYLKA
„Es gibt kein Problem, das man mit dem Rosenkranz nicht lösen kann.“ Diese beruhigende Losung, an die die portugiesische Nonne und Marienerscheinungsgranate Schwester Lucia von Fatima ganz fest glaubte, fand sich einst neben einer versonnen ins Nichts starrenden Rosenkranzbeterin in einem „Psychedelicblättchen“ namens Das Zeichen. Und wenn man als Junge in der niedersächsischen Provinz der 60er-Jahre ein solches Blättchen austragen musste, kann ja nur Erstaunliches aus einem werden: Wenzel Storch, Jahrgang 1961, hat mit nur drei in den letzten 20 Jahren gedrehten, selbsternannten „Ausstattungsfilmen“ – voluminös und günstig dekorierten, surrealen Camp-Kintopp-Märchen – jede Menge Menschen verstört, aber auch eine beherzte Fangemeinde begeistert. Einige seiner seit anderthalb Jahren für konkret verfassten Essays hat er nun für sein erstes, soeben erschienenes Buch „Der Bulldozer Gottes“ recycelt, dazu eingeklebt, was herumlag, und seine Schubladen geplündert.
Im bunten Storch-Print-Werk findet man Bild- und Schriftdokumente zum Speckpater, der Ostpriesterhilfe, eben jenem Pallottiner-Blatt Das Zeichen, Neues aus der Karl-May-Forschung, dazu von Storch gezeichnete Sex- und Anti-Kirchen-Cartoons aus den 80er-Jahren und natürlich Obskures aus seiner Sammlung Petzi.
„Ich war mal stolzer Besitzer einer Zigarrenkiste voller aus Zeitungen ausgeschnittener Petzigeschichten“, erzählt Storch, „bin aber eher Fan als Experte. Ich finde das Personal gut.“ In seinem Buch hat er dankenswerterweise die Geschichte von „Petzi und dem Bumstier“ dokumentiert: „Endlich hab ich dich, Petzi! Jetzt wird aber gebumst!“, ruft (Petzi schlagend) das schweinsähnliche Wesen, dessen frivoler Name irgendwann, wahrscheinlich während einer Pixiebuchreform in den 70ern, zensiert und durch das langweilige „Klopfschwein“ ersetzt wurde, mit dem laut Storch „die Geschichte gar nicht mehr funktioniert, die ganze Atmosphäre ist weg“.
Außerdem erklärt Storch im Buch Wissenswertes über Pater Leppich, das „Maschinengewehr Gottes“, einen wasserwellentragenden Jesuitenpater, der in den 60ern die dreckige Welt zwischen Hildesheim und Reeperbahn mit einem frommen, eisernen Kehrbesen von der Sünde reinigen wollte. Und er erzählt von seiner Karriere als Dieb und Musikfan, die mit einer von den Eltern an Weihnachten („Einmal im Jahr freuen sich die Kinder der Ungläubigen auf den Weihnachtsmann. Der hatte bei uns nichts verloren. Wir warteten mit glühenden Bäckchen auf das Christkind“) geschenkten Black-Sabbath-LP begann, und ihren Lauf nahm, als die Eltern die Platte wieder verschwinden ließen. Da warf der schockierte angehende Hardrockfan seine eingeprügelten christlichen Werte über den Haufen und fing an, „Popfoto“-Zeitungen (eine Art Bravo für Arme und KleinstädterInnen) zu stehlen.
Im weitesten Sinne geht es im „Bulldozer Gottes“ eben darum, was gefährlich überbordender Katholizismus mit „überall Hausaltären und drei mal die Woche zur Kirche“ aus cleveren, fantasiebegabten Kindern macht: „Ich musste“, erzählt Storch über seine aufgezwungene Messdienerzeit, „in diesen albernen roten Röcken am Altar rumstehen und hab debile Litaneien vor mich hin gemurmelt, damit die Zeit rumgeht, Scheißgott, Scheißgott, Pissmaria, Pissmaria, und das minutenlang, das ist auf ’ne Art auch schon wieder religionsartig.“
Dabei habe er bei „Die Reise ins Glück“ von 2004, dem dritten seiner Filme, gedacht, mit dem Thema weitgehend abgeschlossen zu haben, doch dann kam die Wahl von Ratzinger zum Papst, die Bravo brachte ein Poster, und Storch hing drei Tage vor dem Fernsehen und guckte den Kirchentag in Köln: „Da war alles wieder da.“
Und weil Sex und Religion auf einer gewissen Ebene zusammengehören – das eine will man, das andere muss man –, wimmelt das Buch, wimmeln seine Comics und Themenkomplexe von jenen Fundstücken über die Verklemmtheit der Ornate, über in Spiritualität verstecktes Niederdeckeln von Körperlichkeit, bei dem glücklicherweise eine grandiose Entertainmentqualität erhalten bleibt, jedenfalls, wenn man die (katholische) Kirche auch nur ein bisschen kennen und hassen gelernt hat.
Gerade ist ein unter Storchs Regie entstandener Musikclip zu Bela B.s neuem Song „Altes Arschloch Liebe“ bei MTV gestartet, und was einer der erschrockenen, juvenilen Ärzte- und Bela-B.-Fans bei Myspace über das storchtypische Video voll sattem Retro-Ekel, aufgetakelten dicken Kaffeetrinktanten und einem schaurigschönen Provinzreihenhaus-Set als Kommentar hinterlässt, illustriert das Dilemma: „Bin ich doof, oder ergibt das Video keinen Sinn?“ In gewissem Sinne – ja, das stimmt. Aber darum geht es doch, in einer Welt voller kirchlich-sinnfreier Sinnsprüche.
■ Wenzel Storch: „Der Bulldozer Gottes“. Ventil Verlag, Mainz 2009. 17,90 €Ľ■ live: 20. 8., 21.15 Uhr, Bar 25, Holzmarktstr. 25, Vorführung „Die Reise ins Glück“, plus Lesung, mit Wenzel Storch und Jörg Buttgereit