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Archiv-Artikel

Der große Zampano

Friedrich Schirmer, ab 1. August der neue Intendant des Hamburger Schauspielhauses, hatte gestern seinen ersten öffentlichen Auftritt in dieser Funktion. Die Selbst-Inszenierung des ehemaligen Stuttgarters war grandios

So ist das also. Das Deutsche Schauspielhaus muss man nicht erklären. Das Deutsche Schauspielhaus kennt man. „Die Hamburger wissen, wie das Schauspielhaus aussieht“, erklärte gestern dessen künftiger Intendant, Friedrich Schirmer. Darum soll in Zukunft kein Bild für das Schauspielhaus stehen, sondern nur eine Schrift. „Das Schauspielhaus.“, in roten Druckbuchstaben. Danach ein Punkt. Sonst nichts.

Friedrich Schirmer eilt ein Ruf voraus wie Donnerhall. Ein genialer Theatermacher soll er sein, seine bisherige Wirkungsstätte, das Staatstheater Stuttgart, gilt als Talentschmiede. Schirmer hat ein Händchen für die Zusammenstellung von Ensembles. Und er hat den richtigen Riecher für Theaterstoffe.

Schirmer kommt wie gerufen, den etwas ramponierten Ruf des Hamburger Schauspielhauses wieder herzustellen. Das größte deutsche Sprechtheater war zuletzt hinter den Lokalrivalen Thalia Theater zurückgefallen. 2003 wurde das Thalia zu Deutschlands „Theater des Jahres“ gewählt, das Schauspielhaus hatte das Nachsehen.

Die gestrige Selbstinszenierung des künftigen Intendanten war bereits viel versprechend. In elegantem Anzug, den Künstlerschal um die Schultern geworfen, zitierte Schirmer Theaterklassiker. „Ach, das passt jetzt doch nicht“, brach er scheinbar irritiert ab und las stattdessen einen Text der Hamburger Band Tocotronic: „Ich bin neu in der Hamburger Schule und kenn’ mich noch nicht so gut aus.“

Die Botschaft dieser Szene war: 1. Schirmer besitzt klassische Bildung, aber er hat es nicht nötig, damit anzugeben. 2. Er ist fähig zur Ironie. 3. Er hat Zugang zur Popkultur. 4. Er weiß, die Hamburger liegen ihm nicht zu Füßen, er muss sie erst erobern. Vier Botschaften, in einer fünfminütigen Performance ganz beiläufig rübergebracht, das ist schon groß.

Schirmer ist einer, der Sätze sagt wie „ich habe mich an ihrer Arbeit entzündet“ (über eine junge Regisseurin) oder „ich hab versucht, sie zu verführen, mit mir nach Hamburg zu gehen“ (über junge SchauspielerInnen), oder: „ich hatte nichts außer meinem Herzen“ (über sich als junger Mann).

Die eine Hälfte des neuen Ensembles bringt er aus Stuttgart mit, die andere hat er eigenhändig in der Theaterprovinz aufgesammelt. 15 neue Inszenierungen wird es in der erster Spielzeit geben, es werden Betten auf der Bühne stehen, Così fan tutte wird als Klavieroper gegeben. Die Stücke kommen von Klassikern und jungen Autoren, seine Stuttgarter Regiestars werden inszenieren.

Und: Das „Junge Schauspielhaus“ wird eine eigene Sparte mit eigenem Ensemble. Schirmer in Hamburg. Das wird spannend. Daniel Wiese