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■ Once Upon a Time in Anatolia Türkei 2011, R: Nuri Bilge Ceylan, D: Muhammet Uzuner, Yilmaz Erdoga / Originalfassung mit Untertiteln
„Drei Autos fahren durch die Nacht, gesucht wird ein Toter. Sein Mörder und ein Komplize, zwei Brüder, sind bereits gefasst und geständig. Was fehlt, ist das Motiv, der Leichnam, die letzte Evidenz.
Eine Investigation in tiefer Dunkelheit: Die Täter finden den Tatort nicht, der Staat macht die Scheinwerfer an. Ein Staatsanwalt, ein Arzt, Polizisten unterschiedlicher Dienstgrade, die sich über Büffelmilchjoghurt und Probleme mit der Prostata unterhalten. Sie sollen die Wahrheit ans Licht bringen, den Toten einer finalen Untersuchung zuführen. Wenn die Sprache als klärendes Medium an ihre Grenzen stößt, hilft nur noch forensische Obduktion. Nicht alles, was sichtbar ist, ist auch sagbar.
Nuri Bilge Ceylans ‚Once Upon a Time in Anatolia‘ ist ein epistemologisches Roadmovie, das aus Aufklärungsumwegen besteht, die je eigene Erkenntnisse produzieren. Die kriminalistische Recherche verzweigt sich dabei unaufhörlich, wird zwischendurch zur Nebensache und dann doch wieder eminent. Als im Morgengrauen die Leiche gefunden ist, geht der Film, der hier nach gut neunzig Minuten zu einem runden Ende gebracht sein könnte, einfach weiter, wartet so lange, bis die Wahrheit wieder zweifelhaft geworden ist. Das Motiv wird schließlich so beiläufig freigelegt, dass seine generische Trivialität dennoch wie ein unbegreifliches Menschheitsrätsel im Raum stehen bleibt. Enorm schwer auszurechnen ist dieser fabelhaft entformatierte Film, eigenwillig offen für Abschweifungen auch ins Komische. Eine Poetik der Digression, die in kein Schema passt, nie zur Parabel vereindeutigt wird. Die labyrinthartige Struktur verdankt sich einer dramaturgischen Architektur, die ständig Tonfallwechsel und neue Ungewissheiten hervorbringt.
Oft wird nicht zur Sache gesprochen, sondern konzentriert daran vorbei. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt in dieser Nacht, folgt seinen individuellen Wahrnehmungen und Erinnerungsschüben, fühlt sich verfolgt von seinen eigenen Toten, dem Nichtgelebten. Das alles wirkt nicht forciert, auch wenn die bühnenhafte Leere der osttürkischen Steppenlandschaft jede Geste größer und dezidierter gesetzt erscheinen lässt. Auf den Genre-Bahnen einer Recherchebewegung wird man in diesen Film gesogen und landet dann doch immer wieder an den Peripherien des Aufklärbaren. Auch jenseits der schließlich offengelegten Beziehung zwischen Täter und Opfer sind es vor allem die Relationen der Figuren untereinander, in die man als Zuschauer hartnäckig Verstehensbemühungen investiert.
Schön wie ein Bild ist die Tochter des Gastgebers, die eine Öllampe entzündet und Gast für Gast abschreitet, um Tee zu servieren. Ungläubig blicken die Männer, einer nach dem anderem, zu dieser Erscheinung auf. Der Mörder fragt seinen Bruder, ob er schon tot sei.“ So Simon Rothhöhler zum Bundesstart des Films in der taz.
„Once Upon a Time in Anatolia“ läuft Do, Sa, So & Mo um 20.30 sowie Fr & Mi um 18.00 Uhr im City 46