: Requiem für die Zukunft
WIEDERAUFGETAUCHT Vom Wagner-Industrial zum Synth-Prog: Das slowenische Kunst- und Bandkollektiv Laibach findet beim Konzert im Heimathafen Neukölln zurück zu alter Seltsamkeit
LAIBACH
VON ROBERT MIESSNER
Die Eröffnung übernimmt eine Frau. Sie trägt Krawatte zum Uniformhemd und spricht Slowenisch durch ein Megafon das Mantra: „Welche Kämpfe! / Nur fremde Kämpfe! / Nur fremde Kämpfe, wir aber wollen, / dass es die unsrigen seien!“
Nach und nach folgen ihr die Musiker, den Schlusspunkt der Formation übernimmt der Sänger: Er stimmt dunkel-beschwörend in die Ansprache seiner Kollegin ein. Dass Pop immer auch Choreografie ist, dürfte eine der Grundüberzeugungen des slowenischen Kunst- und Bandkollektivs Laibach sein, das am Dienstagabend im Heimathafen Neukölln gastierte.
Die Sätze von Kämpfen gehören zu einer ihrer frühesten Aufnahmen: „Sredi Bojev“, zu Deutsch „Inmitten von Kämpfen“. Der Titel umreißt ziemlich genau das Laibach’sche Programm: Gegründet 1980, einen Monat nach dem langen Tod des jugoslawischen Staatsgründers Tito, gehörten Laibach zu den vehementesten Informationskriegern des Industrialgenres. Ihre Strategie war nicht die einer didaktischen Dissidenz, sondern die einer diabolischen Dialektik.
Die erste Begegnung mit Laibach resultierte zumeist in einem Schock, zu dem die totalitäre Gestik und Sprache der Band wesentlich beitrug. Bis in die neunziger Jahre bestritten sie ihre Konzerte mit Pauken, Trompeten und drastisch karikiertem Rockinstrumentarium. Die Laibach des Jahres 2012 sorgen eher für Irritation: Anstelle des früher rechts und links auf der Bühne postierten Schlagwerks stehen jetzt Synthesizer und ein halbes Dutzend Laptops. Gitarre und Bass fehlen vollständig. Immerhin kommt ein wuchtiges Schlagzeug zum Einsatz.
Laibach sind nach Berlin zu einer Doppelpräsentation gekommen: Der erste Akt des Abends gehört den Neuinterpretationen ihres Frühwerks, die als Doppelalbum unter dem Titel „Laibach Revisited“ auf ihrer Website vorbestellt werden können. Einige der Originalversionen sind schwer wiederzuerkennen, wenn auch interessant: Die wagnerianische Brachialität ist einem streckenweise elegischem Synth-Prog gewichen, der sich gelegentlich dissonant aufschwingt. Das Stück „Mi Kujemo Bodonost“, „Wir schmieden die Zukunft“, klingt eher nach Requiem denn nach Aufbruch.
Ein Konzertbesucher lässt einen Freund via Handy mithören und sagt: „Die Zuschauer benehmen sich ja wie beim Jazz. Keiner rastet aus.“ Laibach arbeiten sich streng chronologisch bis ins Jahr 1992 vor und schließen vor der Pause mit „Le Privilege Des Morts“ vom Album „Kapital“: Es markierte die langsame Abkehr vom stoischen Industrial und die Hinwendung zu tanzbaren Beats.
Nach einer Pause der zweite Akt: Laibach haben unlängst die Filmmusik zu Timo Vuorensolas Naziparodie „Iron Sky“ komponiert. Die Musik changiert zwischen Kitsch und Bombast. Und plötzlich stellt sich das vertraute Pochen ein. Das Publikum wähnt sich nicht mehr beim Jazz, als Laibach ihre alten bösen Hits spielen. Songs wie „Geburt einer Nation“ oder die DAF-Coverversion „Alle gegen Alle“ erschienen 1994 auf „NATO“ – ihrem Kommentar zu den jugoslawischen Bürgerkriegen.
Übrigens: Es sind fünf Personen, die auf der Bühne agieren. Fünf junge Leute sind es, die in Zelimir Zilniks Film „Rani radovi“, „Frühe Werke“ (1968), die Revolution vorantreiben wollen. Er geht nicht gut aus. Ihre Anführerin ist eine Frau, ihr Name: „Jugoslava“. Man darf annehmen, dass Laibach den Film des serbischen Regisseurs kennen.
■ Laibach: „Iron Sky – OST“ (Mute)