Computer statt Terminkalender

Wenn der Organizer den Arzt ruft: Computer sind nicht länger nur jungen Menschen vorbehalten, auch die SeniorInnen entdecken den PC – um nicht zur Bank laufen zu müssen und weil das Internet der Vereinsamung im Alter vorbeugen kann

„Ich war eben noch am PC“, sagt Lore Paas – und klingt dabei, als sei das völlig selbstverständlich. „Der Computer ist mein wichtigstes Werkzeug.“ Im Juni wird Paas 79 Jahre alt, auf ihrem Schreibtisch steht die neueste Computer-Technologie. Ihre Bankgeschäfte erledigt sie per Homebanking, ihre Termine verwaltet nicht mehr ein herkömmlicher Kalender, sondern ein externer Organizer. Auch Mailen, Surfen im Internet und das Scannen von Bildern sind mittlerweile kein Problem mehr. „Den Computer nur als Schreibmaschine zu benutzen, füllte mich nicht aus.“

1999 ist die ehemalige Zahntechnikerin nach Bremen gezogen, der Computer war damals noch „unbekanntes Terrain“ für sie. Dass das jetzt anders ist, liegt an ihrer Tochter: Ein Computer sei einfacher zu bedienen als eine elektrische Schreibmaschine, lautete deren Argument. Ihren ersten PC-Kurs an der Volkshochschule verließ Paas nach drei Abenden entnervt – wegen der jungen Kerle: „Die hatten von Computern auch nicht mehr Ahnung als ich“, schimpft sie – „aber soo eine große Klappe“.

Erfahrungen wie diese will Anja Kopp, selbst 35, den Älteren künftig ersparen. Anfang April hat sich die ehemalige Krankenschwester und gelernte Fachinformatikerin selbstständig gemacht. Mit ihrer Firma „Computer Horizonte“ bietet sie nun mobile PC-Schulungen für SeniorInnen an. Wer sie bucht, muss dafür zwar 28 Euro in der Stunde an Kursgebühren bezahlen – viel mehr als in der Volkshochschule. Dafür gibt es aber individuelle Betreuung mit maximal vier Personen. Und die Kursleiterin kommt nach Hause, bringt wie eine fahrende Gemüsehändlerin Laptops und Beamer mit, den Internetzugang mit im Gepäck.

Zwar bietet auch die Volkshochschule Bremen mittlerweile rund 40 Computerkurse speziell für SeniorInnen an. Dennoch sieht Kopp in solchen Angeboten keine Konkurrenz: „Da werden Massen an Leuten durchgeschleust.“ Kopp setzt auf das Klientel, das entweder aus gesundheitlichen Gründen den Weg in die Volkshochschule nicht schafft – oder einfach Angst haben, sich zu blamieren.

Auch einige von Lore Paas’ FreundInnen „erschrecken allein vor dem Wort Computer“. Dennoch habe sie schon einige überzeugen können, erzählt die 78-Jährige stolz.

Noch fehlt es der Existenzgründerin Kopp an echten KundInnen – doch die erste Resonanz aus Kirchengemeinden, Seniorentreffs und Institutionen für Betreutes Wohnen sei „positiv“. Die 35-Jährige ist von ihrem Konzept voll überzeugt. Kopp sieht sich dabei als Frau eindeutig im Vorteil: „Wer Berührungsängste hat, fühlt sich bei Frauen emotional in besseren Händen.“ Auch Lore Paas belegte am Ende lieber drei Kurse im Frauen-Computer-Zentrum, als sich weiter den jungen Männern in den Volkshochschulkursen auszusetzen.

Kopp plant derweil schon ihr nächstes Projekt: Eine eigene Internet-Plattform für Bremer SeniorInnen. „Die Bedeutung des Internet wird immer noch unterschätzt“ – auch als Mittel gegen Vereinsamung im Alter. mnz