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Archiv-Artikel

Zombies auf Achse

In Deutschland ist jetzt alles möglich, sogar zwei Bundesregierungen auf einmal. Und das ganz ohne Wahlen. Hauptsache, es passiert irgendetwas – ohne dass sich jemand irgendwie festlegen müsste

VON SUSANNE LANG

Jetzt ist es passiert: Wir haben eine Bundeskanzlerin, die CDU regiert. Wir haben Guido Westerwelle endlich im „Irgendwie“-Amt, die FDP koaliert. Wir haben unseren alten Bundeskanzler sowie den Außenminister behalten, denn man weiß ja nie. Immerhin müssen SPD und grüner Anhang erst noch in einiger Vertrautheit dem Kanzler misstrauen, damit wir überhaupt neu wählen dürfen. Das ist alles, was wir wollen: Wählen. Neu wählen. Abwählen. Nichtwählen. Wahlweise.

Wenn eine Gegenwart zu kompliziert wird, braucht man zwei. Wer Alternativen gleichzeitig lebt, muss sich nicht entscheiden. Fast könnte man es glauben: Wir sind die besseren, die echten, die radikalen Anarchisten.

Was sich nach dieser politischen Woche wirklich festhalten lässt, ist kaum mehr als die Erkenntnis: Das letzte Verdienst von Rot-Grün zeigt sich in seinem nahenden Untergang. Mit Stil und Sonnenblume haben die Regierungsmitglieder die höchste Staatsebene soweit enthierarchisiert, von ideologischem Ballast entrümpelt, dass es sich als Mandatsträger nur mehr als Polit-Cowboy überleben lässt. Zermürbt vom ständigen Hinterfragen der eigenen Positionen, konstruiert sich die Identität des Regierenden letztlich nur mehr über die schlicht narzisstische Vertrauensfrage: Sagt ja zu mir. Oder nein. Über simplen Opportunismus: Seid ihr meine Freunde oder nicht.

Einer demokratischen Wahlniederlage kann nach dieser Logik nur mehr eines folgen: die Drohung, im Fall der Fälle lieber einen Heldentod zu sterben als die Mehrheitsentscheidung auszuhalten.

Und so gibt der Gerhard Schröder dieser Tage einen richtig guten „Dead Man“ ab, der sich wie in Jim Jarmuschs Abgesang auf den Western müde und lethargisch durch die Landschaft schleppt; mit keiner Vision, keinem Zivilisationsprojekt – außer: den eigenen, grandios inszenierten Tod zu finden. Der Kanzler schleppt sich durch eine politische Landschaft, die ihre Ideen und Visionen so lange selbst zitiert und modifiziert hat, dass am Ende nur das Ende bleibt. Dazwischen gibt es Neuwahlen.

Und es passt ja ausgezeichnet in eine Zeit, die nur noch aus eklektizistischen Retrobewegungen, aus immer währenden Transitzonen besteht. Schröder will den Abgang? Hauptsache, es bewegt sich etwas. Wer und welche Inhalte folgen nach? Hauptsache das Personal wechselt. Alles Taktik und Machtstrategie? Hauptsache etwas.

Während die meisten Wähler in ihrer Lethargie gefühlt immer noch vor der Sonntags-Mattscheibe nach der NRW-Wahl hängen, haben sie sich virtuell längst auf den Weg ins Wahllokal gemacht. Eine demokratische Plattform im Zustand des ewigen Transits, jeder ist immer auf einem Weg, am besten dem „neuen Weg in die neue Mitte“, aber keiner kommt an. Denn das hieße ja: festlegen – und das wäre unerträglicher als jeder gefühlte Stillstand.

Lieber einigt sich das Zombienomadentum auf eine letzte große rot-grüne Vision: Eine Frau muss ins Bundeskanzleramt! Von der CDU. Aus dem Osten. Weil ja doch sicher ist: Auch sie wird nie ankommen.