: Der lange Weg des Kamiar M.
ZERMÜRBUNG Unbequemer Beamter kämpft vor dem Verwaltungsgericht um seine Rehabilitierung bei der Polizei. Immer neue Verfahren der Staatsanwaltschaft verhindern seine Verbeamtung auf Lebenszeit
ERNST MEDECKE, RECHTSANWALT
„Wollen sie denn wirklich auf Lebenszeit zur Polizei, wenn sie mit den Vorgesetzten so viel Ärger haben?“, fragt der Verwaltungsrichter den Polizisten Kamiar M. „Ich habe meinen Amtseid auf die Polizei abgelegt und nicht gegenüber einem Polizeiführer“, erwidert der Deutsch-Iraner. „Wir haben keine andere Polizei“, ergänzt sein Anwalt Ernst Medecke. „Er kann ja nicht einfach Feuerwehrmann werden.“ Kamiar M. klagt gegen die Hamburger Polizei, da ihm seit Jahren die Verbeamtung auf Lebenszeit und die Beförderung wegen eines laufenden Disziplinarverfahrens verweigert wird.
Kamiar M. war 2002 dem Ruf von Innensenator Ronald Schill gefolgt, der Polizisten aus der Region Berlin an die Elbe lockte. „Ich bin aus Überzeugung Polizist“, sagt M., „und nicht, weil ich mit Blaulicht fahren wollte.“ Der Ärger mit der Polizeiführung begann 2005, als sich M. wegen Vergewaltigung verantworten musste. Die reine Frauenkammer des Landgerichts sprach ihn frei, da sich herausstellte, dass das Dezernat Interne Ermittlungen (DIE) Akten manipuliert hatte, um der Aussage des Opfers Plausibilität zu verschaffen, die den One-Night-Stand vor ihrem Mann ummünzen wollte.
Das eingeleitete Disziplinarverfahren, was eine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit verhindert, blieb bestehen. Zumal ihn eine Nachbarin – der Vergewaltigungs-Prozess ging damals durch die Medien – der sexuellen Nötigung bezichtigte. Das Strafverfahren wurde eingestellt – das Disziplinarverfahren blieb. Quasi wie bestellt reagierte die Polizeiführung, als im September 2007 M.s Jugendfreundin Meike W. den 32-Jährigen M. nach einem Streit ebenfalls der sexuellen Nötigung bezichtigte. Während die zuständige Dienststelle für Sexualdelikte mit rechtswidrigen Methoden – Durchsuchung der Wohnung ohne richterlichen Beschluss, Vernehmungen ohne Belehrungen – einseitig nur Belastendes zusammentrug, lockte ihn der Polizeidirektor Kuno Lehmann am 12. September 2007 zu einem Gespräch ins Polizeipräsidium. Als M. der Empfehlung Lehmanns nicht nachkommen wollte, doch „selbst zu kündigen“, ließ der Polizeiführer den unbewaffneten Polizisten von bewaffneten Beamten des Mobilen Einsatzkommandos in seinem Büro überwältigen und verhaften.
Im Prozess sprach das Amtsgericht Blankenese Kamiar M. frei, da die Richterin Venta Billen Zweifel an der Aussage des Opfers hatte. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein. Nach einem geplatzten Verfahren – Alfons Schwarz, Richter am Landgericht, wurde nach 20 Verhandlungstagen von seiner Kollegin Ute Barrelet für befangen erklärt – sprach ihn das Landgericht unter Vorsitz von Claudia Lesmeister-Kappel im April 2011 endgültig frei. Doch das Disziplinarverfahren läuft immer noch: Denn zwischenzeitlich war M. wieder von einer Nachbarin angezeigt worden. Diesmal lautete der Vorwurf Förderung der Prostitution. Das Verfahren wurde eingestellt, gegen die Frau Anklage wegen falscher Anschuldigung erhoben, da M. sie angezeigt hatte.
Doch dann stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren überraschend ein, eröffnete aber im Gegenzug gegen M. ein Ermittlungsverfahren wegen falscher Anschuldigung. Immer wenn ein Strafverfahren anhängig sei, werde das Disziplinarverfahren zur Entscheidung über die Beförderung ausgesetzt und um dem neuen Vorwurf ergänzt, sagt der Behördenvertreter. Das Gericht drängt nun auf eine Entscheidung: Wenn nichts Gravierendes vorliege, was auch den Rausschmiss eines Beamten auf Lebenszeit rechfertige, müsse alsbald positiv entschieden werden. KAI VON APPEN