Die Angela der Nation

VON SUSANNE FENGLER

In den vergangenen Jahren haben wir Deutschen uns nahezu obsessiv mit Angela Merkel beschäftigt. Ihre politischen Ziele (hat sie welche?), ihre Mechanismen der Macht (Metzger-Methoden!), selbstredend ihr Haarschnitt – wie viele Kilo Gedankenschmalz, wie viele Liter Spucke haben Profis und Laien des politischen Betriebs nicht auf diese Fragen verwendet!

Aber haben wir nicht oft, zu oft unsere eigenen, unsere deutschen Schwächen auf Angela Merkel projiziert? Merkel hat keine Visionen – haben wir Ideen für unser Land? Merkel zaudert, zögert – ducken wir nicht selbst vor jeder einschneidenden Veränderung ab? Merkel ist nicht weiblich genug – sind wir nicht allesamt tief verunsichert ob unseres Frauenbilds? Merkel taktiert, wechselt ihre Meinung – wie oft sind wir in den vergangenen Jahren selbst kurzfristigen Stimmungsschwankungen aufgesessen, haben uns nach der Flut, während der Irakdebatte für Schröder entschieden, obwohl doch schon damals der Unmut über seine wirtschaftspolitischen Bilanzen groß war? Und seit Sonntag – erfrischt sich die Nation plötzlich wieder an Merkels „mädchenhaftem“ Lächeln.

Sei’s drum: Ich werde am 18. September für Angela Nazionale stimmen. Darauf vertrauen, dass sie nicht einer Mehltau-Regierung vorstehen will, sondern eine Koalition der Veränderungswilligen schmiedet. Dass sie, ausgestattet mit der Macht des Amtes, sich endlich auch denjenigen Themen zuwenden wird, die bislang eher eine Marginalie ihres politischen Programms zu sein schienen – Umwelt beispielsweise. Die beste Frauenpolitik ist ohnehin, wenn eine Frau die Politik macht. Ganz besonders würde ich mich daher – ist die Kanzlerdämmerung im Herbst tatsächlich vorbei – auf den ersten Kanzlerinnensommer freuen.

Erinnert sich noch jemand? Besonders pfiffige Kommentatoren unkten zu Anfang dieses Jahres landauf, landab, Angela Merkel könne die Wahlen im nächsten Jahr gar nicht gewinnen – weil die WM den kickenden Alphamännchen Schröder und Fischer beste Gelegenheit zur Profilierung böte. Und nun wird die Welt 2006 möglicherweise zu Gast bei Mrs. Merkel sein.