Malen mit Schießpulver

Das Duisburger MKM zeigt bei „Licht und Schatten“ zeitgenössische Künstler aus China. Cai Guo Qiang, Wang Yi Dong und Zhang Lin Hai sind Tradition, Gegenwart und Zukunft ihres Landes

VON PETER ORTMANN

Kahle Kinder bilden ein körperliches Meer, im Hintergrund wehen rote Fahnen. Braune Pulverspuren kringeln sich über Bütten. Zarte Asiatinnen posieren auf Bildern fotogen im Schnee. Erst auf den fünften Blick erkennt der Besucher, dass sie tatsächlich gemalt sind. China beansprucht nicht nur einen Spitzenplatz in der Stahlbranche, sondern auch auf dem Kunstmarkt. Das Land war bereits vor Jahrtausenden dort Weltmarktführer. „Heute überlegt man, wieder Kunsthallen in Peking zu bauen“, sagt Walter Smerling, Direktor des Museum Küppersmühle (MKM) im Duisburger Innenhafen. Dort sei es jetzt viel freier als noch vor zehn Jahren.

Unter dem Titel „Licht und Schatten“ zeigt das Museum des Mega-Sammlers Paul Grothe drei kontrastreiche Positionen aktueller chinesischer Kunst. „Wir haben sie ausgewählt, weil sie für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Kunst in China stehen“, sagt Smerling. Die Zukunft gehört sicherlich Cai Guo Qiang. Er ist Chef-Kurator des Pavillons der Volksrepublik China auf der Biennale von Venedig. Das Land wird zum ersten Mal dort vertreten sein und sich offensiv der internationalen Kunstszene öffnen. Der in Peking und New York lebende Performancekünstler Cai ist ein Explosions-Spezialist. Bei der Eröffnung des neuen Museums MARTa vor drei Wochen in Herford sprengte er für Jan Hoet mal eben einen Opel Vectra in die Luft. Ansonsten arbeitet er gern mit Schießpulver, eine Erfindung die Chinesen auch schon vor Jahrtausenden machten. In Duisburg ist sein Projekt „Light Cycle, Explosion Project for Central Park“ von 2003 zu sehen, das er anläßlich der 150-Jahr-Feier des Central Parks begonnen hat. Auf großformatigem, schweren Bütten hat Cai dort brennendes und explodierendes Schießpulver zu abstrakten Formen verarbeitet. Dabei liegt ein besonderer Reiz in der Zusammenführung des aggressiven Entstehungsakts und der fast meditativen Ausstrahlung des fertigen Bildes.

Der neorealistische Maler Wang Yi Dong greift in seinen Bildern auf traditionelle Motive chinesischer Malerei zurück. Im Mittelpunkt steht das idealisierte Frauenporträt. Wang steht in der Ausstellung für die Vergangenheit. Er vertritt eine traditionelle Position, die die Bewahrung alter chinesischer Werte anmahnt und ist Gründer der Bewegung China Realism Group, die letztes Jahr mit dem Ziel gegründet wurde, einen deutlichen Gegenpol zur Avantgarde zu bilden. Die 14-köpfige Gruppe hatte ihre erste Ausstellung im Oktober 2004 in der National Gallery of Fine Arts in Peking.

Die Massen kahlköpfiger Kinder auf den Ölbildern gehören zum Sujet von Zhang Lin Hai, der seine künstlerische Ausbildung in China als Graphiker abschloß. Er war in Duisburg bereits in der „Chinart“-Ausstellung vertreten. Vereinzelung in der Menge ist sein Thema geblieben. Auf zwei Dutzend Gemälden kann der Besucher nicht nur die malerische Meisterleistung bewundern, sondern sich bewußt mit der eigenen Position in Leben und Gesellschaft auseinandersetzen. Zhang ist sicher heute bereits ein internationaler Megaseller. Doch seiner inhaltlichen Position droht der Ausverkauf. Die unendliche Weite und klaustrophobischen Gefühle seiner immer ähnlichen Protagonisten könnten zu schnell zum profitablen Markenzeichen werden.

An den Arbeiten können auch die unterschiedlichen Lebenswege abgelesen werden. Wang Yi Dong und Zhang Lin Hai sind Absolventen der Pekinger Kunstakademie und haben stets in China gelebt. Cai Guo Qiang studierte Bühnenbild am Shanghai Drama Institute und ging bereits in jungen Jahren nach New York.

Bis 3. Juli 2005