berliner szenen
: Sound von Regen und Schlägen

Das Wetter ist ein weiteres Sportgerät. Stellt euch das einfach so vor“, sagt die Trainerin, nachdem viele Teilnehmerinnen der morgendlichen Kraftstunde sich beschwert haben, dass es zu schwül dafür sei.

Drinnen wird geschwitzt, draußen regnet es. Die dicken Wolken sehe ich bereits auf dem Weg zum Verein. Sie kommen aus verschiedenen Himmelsrichtungen und treffen sich über dem Hermannplatz, als hätten sie sich dort verabredet. Vögel und Menschen zeigen sich nervös, es wird dunkel und bedrückend. Gleich geht es los, sage ich mir und beeile mich.

Wir sind an diesem Morgen viele, und wegen der hohen Temperaturen dürfen wir ausnahmsweise mit offenen Fenstern trainieren. Das Geräusch aller Atemzüge im Raum vermischt sich mit dem Regensound und erzeugt ein seltsames Stück experimentellen Klangs. In der Regel bleiben alle Fenster geschlossen, sonst beschweren sich Nach­ba­r*in­nen über die Lautstärke der Musik oder das Rumschreien weiblicher Stimmen. Wenn jemand neu im Haus ist und nicht weiß, dass sich im selben Hinterhof ein Kampfsportverein befindet, muss diese Geräuschkulisse ein bisschen abschreckend sein: Tritte und Schläge, Sparring, Sandsäcke, Stockkämpfe, werfen und geworfen werden, bei Selbstverteidigungskursen „Nein“ sagen und laut sein …

Das Gewitter lässt langsam nach, und einige Sonnenstrahlen schaffen sich einen Weg durch die Wolken, das Licht ist golden. Während einer Trinkpause sehen wir den Regenbogen. Alle rennen zum Fenster und schauen nach oben. Einige schießen Handyfotos. „Schön“ hört man hier und da, immer wieder, bis die Trainerin „Pause vorbei!“ ruft und wir uns noch Liegestützen und Bauchmuskeln widmen. Gegenüber hängt eine Nachbarin die Wäsche wieder an der Leine auf.

Luciana Ferrando