Versperrter Fluchtweg

Turbine Potsdam beeindruckt beim Sieg über den deutschen Meister FFC Frankfurt mit modernem Tempofußball, freut sich über den erneuten Gewinn des DFB-Pokals und nimmt ein neues Mitglied auf: Theo Zwanziger

BERLIN taz ■ Nein, diesmal konnte Bernd Schröder nicht so einfach in die Kabine verdrücken, um seinen Tränen freien Lauf zu lassen, so wie er es vor einer Woche gemacht hatte. Da hatten die von ihm trainierten Fußballerinnen von Turbine Potsdam gerade den Uefa-Cup gewonnen, und der Trainer konnte nicht mehr an sich halten. Am Samstag nach dem erneuten Gewinn des DFB-Pokals war ihm der Fluchtweg versperrt. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck stand nach dem Schlusspfiff hinter dem Potsdamer Erfolgstrainer. „Ich konnte also gar nicht weg“, meinte Schröder, der dennoch wieder einmal sichtlich ergriffen war von dem, was sich im Berliner Olympiastadion abgespielt hatte.

Mit 3:0 hat Turbine Potsdam den deutschen Meister FFC Frankfurt besiegt. Die Brandenburgerinnen rannten über den Platz, als spürten sie die Hitze nicht, die über dem Stadion lag. Sie zogen ein Kombinationsspiel auf, dem die Frankfurterinnen nichts entgegenzusetzen hatten. Im Gegensatz zum neuen Pokalsieger wirkten die Hessinnen träge und schlapp. Wie gelähmt schlichen sie über den Platz, nachdem die Frankfurter Sturmspitze Birgit Prinz in der 24. Minute verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste. Und die Potsdamerinnen drehten so richtig auf. Trainer Schröder hatte vor dem Pokalfinale versprochen, dass seine Mannschaft beim Endspiel Werbung für den Frauenfußball machen werde. Ja, sie hat es getan. Ein flottes Kombinationsspiel entwickelte sich und gipfelte im Führungstreffer für Turbine. Conny Pohlers, die schon das Uefa-Cup-Endspiel vor Wochenfrist beinahe im Alleingang entschieden hatte, lupfte den Ball in der 23. Minute über ihre Gegenspielerin hinweg und zog ab. Der Ball segelte unerreichbar für Franklfurts Torfrau Marleen Wissink in den Winkel. „Ich wusste irgendwie nicht, was ich jetzt mit dem Ball machen sollte, da habe ich einfach einmal geschossen“, kommentierte Pohlers hinterher ihr Traumtor, „mit links. Das ist nicht normal.“

Petra Wimbersky noch in der ersten Hälfte und und Anja Mittag zehn Minuten vor Schluss zementierten die Überlegenheit des Potsdamer Tempofußballs.

Nach einer langen Epoche, in der der FFC Turbine Potsdam schon als ewiger Zweiter verspottet worden war, hat sich der Club zu einem wahren Titelsammler gemausert. Dennoch werden die Erfolge vom Endspielgegner, dem ehemaligen Serienmeister, immer noch nicht recht ernst genommen. Für den FFC Frankfurt und dessen Manager Siegfried Dietrich beginnt der wahre Zweikampf erst in der kommenden Saison. Dann sind nämlich die zwei deutschen Spitzenteams im Uefa-Cup vertreten, und es gibt es für keine der beiden Trainer die Ausrede, dass die Belastung im Europapokal den Kampf um die Meisterschaft allzu sehr beinträchtige. Vielleicht erkennen die erfolgsgewöhnten Frankfurterinnen dann endlich an, dass sich mit Turbine Potsdam ein ernst zu nehmender Konkurrent im nationalen Wettstreit etabliert hat. In Frankfurt scheint man sich sicher zu sein, dass Potsdam dann keine Chance hat.

Und Turbine? In Potsdam will man den Kampf annehmen. Spielerinnen und Trainer von Turbine waren auch nach dem Sieg am Samstag immer noch sauer auf die Frankfurter Verantwortlichen. Die hatten sich vor einer Woche – so sieht man es in der Landeshauptstadt Brandenburgs – kräftig daneben benommen. Trainer und Manager des FFC Frankfurt waren zum Uefa-Cup-Spiel ins Karl-Liebknecht-Stadion gekommen und hatten es nicht für nötig empfunden, den Potsdamerinnen zum Sieg zu gratulieren. Vielmehr stellten die Hessen hinterher lapidar fest, dass sie das Finale auch gewonnen hätten. Schlechter Stil, wie Bernd Schröder meint.

All das bekommt die fußballinteressierte Öffentlichkeit meistens gar nicht mit. Noch immer ist das Pokalfinale das einzige Vereinsspiel zweier Frauenteams, das deutschlandweit wahrgenommen wird. Das weiß auch Bernd Schröder. Er zitierte stolz Bayernchef Karl-Heinz Rummenigge, der gesagt hat, wie wichtig der Sieg der Brandenburgerinnen im Uefa-Cup für den deutschen Fußball gewesen sei. Und er betonte, dass der Frauenfußball mit dem designierten DFB-Präsidenten Theo Zwanziger endlich einen echten Fürsprecher auch im Präsidium des Fußballbunds habe. „Meine Frau hat noch unter dem Bett den letzten Aufnahmeantrag herausgekramt“, erzählte Schröder. Zwanziger hatte nämlich angekündigt, noch während der Siegesfeier Mitglied bei Turbine werden zu wollen. Das ist übrigens Matthias Platzeck schon lange. ANDREAS RÜTTENAUER