: Berlin sagt Oui
Auch in Berlin wurde am Sonntag über die EU-Verfassung abgestimmt. 2.209 Exilfranzosen gaben ihre Stimme ab, mehr als drei Viertel votierten dafür. Der Grund: Franzosen im Ausland sind wesentlich europafreundlicher
Berlin ist anders – ganz anders als Frankreich zum Beispiel. Während sich dort in einer Volksabstimmung am Sonntag eine Mehrheit gegen die EU-Verfassung aussprach, überwogen in der deutschen Hauptstadt die Befürworter des Regelwerks: 78 Prozent der 2.209 Exilfranzosen, die ihre Stimme abgaben, votierten mit Ja. Damit liegt Berlin knapp unter dem Durchschnitt von 80 Prozent Zustimmung, die es insgesamt bei den im Ausland lebenden Franzosen gab.
Für Paul Clavé von der UFE Berlin (Union der Franzosen im Ausland) ist das ein Grund zur Enttäuschung. Erstens war die Wahlbeteiligung niedriger als in Frankreich – nur 46 Prozent der deutschen Franzosen kamen zur Abstimmung. Zweitens stimmten auch Auslandsfranzosen aus einen „gewerkschaftlichen Reflex“ heraus gegen die Verfassung, kritisiert das konservative UMP-Mitglied das Ergebnis. Clavé glaubt aber nicht, dass der Ausgang des Referendums die deutsch-französischen Beziehungen belasten wird.
Auch Philippe Loiseau, Präsident der Berlin-Sektion der sozialistennahen ADFE (Demokratischer Verein der Franzosen im Ausland), bemängelt die geringe Beteiligung. Grund sind seiner Meinung aber nach Einsparungen. So gab es für Franzosen in Deutschland keine Briefwahl. Da konsularische Vertretungen abgebaut wurden, ist es „sehr schwer, seine Stimme abzugeben“, so Loiseau.
Er sieht einen Grund, die Verfassung zu akzeptieren, in dem Tabu, im Ausland eine antieuropäische Einstellung anzunehmen. Die mit Nein gestimmt hätten, verfügten aber über gute Gründe: Sie hätten sich eben nicht an der Politik orientiert, sondern seien mit dem Verfassungstext nicht einverstanden.
Auch Klaus-Peter Sick, Historiker im Centre Marc Bloch in Berlin, ist über die Berliner Resultate nicht überrascht. „Die in Deutschland lebenden Franzosen sind durchschnittlich jünger und im kulturellen oder im wirtschaftlichen Sektor aktiv. Und sie sind weitaus europafreundlicher als ihre Landsleute.“ Zwar gebe es große Unterschiede zwischen einem französischen Künstler aus Prenzlauer Berg und einem Sanofi-Synthélabo-Bürokraten aus der Potsdamer Straße. Lagerkämpfe von Europagegnern und Befürwortern im Ausland – zumal in Berlin – seien aber ausgeschlossen. „Die meisten Franzosen hier sind glücklich, der oft stickigen Atmosphäre in ihrer Heimat entkommen zu sein. Deutschland gilt bei ihnen als eine viel liberalere Gesellschaft als Frankreich.“ LUC CAREGARI