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Archiv-Artikel

Schwarze Fahne vor der Glashütte

Der amerikanische Investor OI will die Produktion in Düsseldorf schließen. Dabei wurden erst im April 107 Angestellte entlassen, um die verbliebenen Arbeitsplätze zu sichern

KÖLN taz ■ Bis Donnerstag letzter Woche wehte am Werkseingang der Glashütte Gerresheim die US-Nationalflagge. Jetzt haben die empörten Beschäftigten Stars and Stripes gegen eine pechschwarze Fahne ausgetauscht und halten eine Dauermahnwache. Der US-Eigentümer Owens-Illinois (OI) hat überraschend angekündigt, den Betrieb zum Jahresende zu schließen.

Am 25. Mai erhielten die Beschäftigten einen Brief von Geschäftsführer Derek Whiteside. Er ist in OI für Deutschland und Tschechien zuständig und begründet die Schließung mit Überkapazitäten in Deutschland wegen Dosenpfand, Alcopops-Besteuerung und Kartonverpackungen. Der Beschluss überrascht, weil erst zum 1. April 107 Beschäftigte entlassen wurden. Die Zustimmung zum Sozialplan war Bedingung, um die restlichen Arbeitsplätze zu retten.

Die Beschäftigten liefern Gegenargumente: Dosenpfand, Alcopops-Steuer und Kartonverpackungen gab es auch schon im Juni 2004, als OI die Glashütte kaufte. Umgekehrt werde vielmehr ein Schuh draus: Weil dies alles klar war, habe OI gekauft.

Owens Illinois aus Ohio besitzt mittlerweile 100 Produktionsstätten in 23 Ländern und ist damit führender Hersteller von Glasbehältern. Außerdem gehören zur Glashütte noch vier weitere Produktionsstandorte in Deutschland: Achern, Holzminden, Rinteln und Bernsdorf. Sie werden nicht geschlossen. „Dort sind die Grundstücke nichts wert, im Gegensatz zur citynahen Lage in Düsseldorf“, vermutet Betriebsrat Jürgen Weide. Hier koste ein Quadratmeter 600 Euro. „Allein der Parkplatz ist 13 Millionen wert“, so Weise.

Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin schiebt hingegen auch Trittins Dosenpfand die Schuld zu. Gegen die Schließung will er nichts unternehmen. „Wir leben ja nicht im Sozialismus“, unternehmerische Entscheidungen respektiere er. Mit der Geschäftsleitung habe er schon vor Monaten über die Vermarktung von Grundstücken gesprochen: Vielleicht könne man Handwerk ansiedeln. Für die Immobilienbranche wäre das die Gelegenheit, den „Umstrukturierungsprozess“ im ehemaligen Industriegebiet zu vollenden.

Der Stadtteil Gerresheim hing jahrzehntelang von der Glashütte und ihren ehemals 5.500 Arbeitsplätzen ab. Der britische Finanzinvestor CVC hatte 1999 die Glashütte gekauft, gleichzeitig auch den französischen Konkurrenten BSN, damals eine Tochtergesellschaft von Danone. CVC machte BSN-Manager zu Mitinhabern der Glashütte und ließ die besten Maschinen aus Düsseldorf nach Reims schaffen. An den deutschen Standorten wurden einfachere Ersatzproduktionen angesiedelt, das Personal in Gerresheim wurde von 1.750 auf 380 reduziert. CVC wollte einen verschlankten europäischen Glaskonzern an die Börse bringen. 2000 kam der Börsencrash dazwischen, das Vorhaben zerschlug sich.

Im Juni 2004 wurde die Glashütte mit den vier anderen Betriebsstätten für 1,4 Milliarden Dollar an OI losgeschlagen. Für CVC ein gutes Geschäft, denn der Kauf der Glashütte hatte nur 900 Millionen Mark gekostet. Der US-Konzern richtet nach der Übernahme eine europaweite Vertriebszentrale in Lausanne ein und baut die Produktion mit Niedriglöhnern in Lettland, Polen und in Tschechien. Dennoch war Gerresheim wichtig – wegen seines Kundenstamms.

Norbert Ziegert war 14 Jahre lang Betriebsratsvorsitzender. Er ist am 1. April mit auf den Sozialplan und in die Transfergesellschaft gegangen. Im Beisein eines Rechtsanwalts habe er Whiteside Lüge vorgeworfen. OI habe sich unter der US-Nationalflagge wie auf US-Territorium verhalten, deutsche Gesetze hätten wenig gegolten. „Das erinnert sehr an Münteferings Heuschrecken.“ WERNER RÜGEMER