berliner szenen: Sie riechen nach Mürbeteig
Ein bisschen haben wir vor dem Konzert ja befürchtet, dass das Gesamterlebnis allzu ironisch ausfallen könnte: Beim Münchener Filmfest hatten wir den wunderbaren „Fallen Leaves“ von Aki Kaurismäki gesehen, in dem die finnische Band Maustetytöt (zu deutsch: „Spice Girls“) prominent gefeaturt wird. Das aus den Schwestern Anna (Gitarre) und Kaisa (Keyboards) Karjalainen bestehende Indie-Pop-Duo besticht dort durch den stoischen Vortrag und die düster-lakonischen Texte. Die Untertitel konterkarierten den gefälligen Sound derart, dass sie das Filmpublikum lauthals zum Lachen brachten.
Beim Livekonzert im Kreuzberger Lido gibt es jedoch keine Untertitel. Also stellt sich die Frage, wie gut das Ganze ohne Text funktioniert, anderthalb Stunden lang mit reichlich eingerostetem Schulfinnisch. Die meisten sind wohl tatsächlich wegen des Kaurismäki-Films hier, denn das Publikum ist für das Genre doch ungewöhnlich alt. Wegen des geringeren Aufkommens an sonst üblichen übergroßen jungen Männern falle ich nun umso unangenehmer auf. Rechtzeitig vor Beginn huscht in meinem Rücken eine Schule älterer Damen fliehend beiseite, später, in der Enge des ausverkauften Lido, bitten mich zwei junge Damen, sich vor mich stellen zu dürfen. Die beiden riechen verblüffenderweise intensiv nach Mürbeteig.
Was auch fast schon wieder ein guter Titel für einen typischen Maustetytöt-Song sein könnte: Ein Mädchen wird an einer stillgelegten Bushaltestelle langsam eingeschneit; als man sie findet (tot, aber irgendwie zufrieden), riecht sie nach Mürbeteig.
Es funktioniert übrigens ganz hervorragend. Die Schwestern lächeln nie, der sehr gute Gesang passt toll zu einer Sprache, die man Lied für Lied immer schöner findet. Die Texte lesen wir hinterher im Netz nach.
Uli Hannemann
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