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Archiv-Artikel

Der Wertstoff aus den schwarzen Tonnen

Ab heute darf Müll nicht mehr unbehandelt auf Deponien gelagert werden. Der Berliner Müll wird deswegen in neuen Aufbereitungsanlagen veredelt

VON CHRISTO FÖRSTER

Ist Abfall das neue Öl? Weil natürliches Brennmaterial weltweit immer knapper wird, gewinnen die so genannten Sekundärrohstoffe an Bedeutung. Müll ist dabei einer der Hoffnungsträger. In modernen Hightech-Anlagen werden die Reste des Alltags nicht mehr einfach abgefackelt, sondern zu echtem Brennstoff verarbeitet und anschließend an Kraftwerke geliefert.

Mit der EU-Richtlinie zur Abfallentsorgung, die heute in Kraft tritt, wird dieser Trend unterstützt – auch in Berlin. Künftig dürfen Abfälle nicht mehr unbehandelt auf Deponien gelagert werden. Für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bedeutet diese Vorgabe eine grundlegende Umstrukturierung ihrer Abfallpolitik.

Die Berliner produzieren jährlich rund eine Million Tonnen Hausmüll. Davon werden 53 Prozent in der Verbrennungsanlage Ruhleben verarbeitet. Die andere Hälfte landete bisher auf den Brandenburger Deponien in Schöneiche und Schwanebeck. Diese werden jetzt geschlossen. Um den Müll, der bisher einfach beiseite gelegt wurde, richtlinientreu zu entsorgen, entstanden neue Aufbereitungsanlagen in Reinickendorf, Köpenick und Schöneiche. Im Juni 2006 soll zusätzlich eine Anlage in Pankow den Betrieb aufnehmen.

In diesen neuen, hochmodernen Anlagen wird der Abfall entweder mechanisch-physikalisch oder mechanisch-biologisch behandelt. Übersetzt heißt das: Er wird zu wurstförmigen Müllbriketts verarbeitet oder im Rotteverfahren zersetzt.

„Wir haben die neuen Anlagen in Kooperation mit privaten Entsorgern aufgebaut“, sagt Sabine Thümler, Sprecherin der Berliner Stadtreinigung (BSR). Vor zwei Jahren hatte der Senat beschlossen, dass die BSR die Entsorgung von 460.000 Tonnen Hausmüll, die bislang auf Deponien landeten, öffentlich ausschreiben muss. Aus einem europaweiten Bewerberfeld setzten sich schließlich Unternehmen aus der Region durch.

Eine wichtige Rolle wird in Zukunft die Firma Alba spielen, bekannt als Sponsor des erfolgreichen Basketballvereins. Der Entsorgungsriese erhielt den Zuschlag als privater Partner der BSR. Alba wird in den Anlagen Reinickendorf und Pankow rund die Hälfte des ehemaligen Deponiemülls verarbeiten. Der übrige Teil wird von der Brandenburger Unternehmergruppe Otto-Rüdiger Schulze und der Märkischen Entsorgungsanlagen- und Betriebsgesellschaft (MEAB) recycelt.

Durch die Umsetzung der neuen EU-Richtlinie bleiben in Brandenburg gigantische Müll-Ruinen zurück. 40 Jahre werde es dauern, bis die Deponien vollständig saniert sind. „Die BSR investiert 350 Millionen Euro in die Entgiftung der alten Lagerstätten“, sagt Thümler. So könne vor allem das gefährliche Metangas unschädlich gemacht werden.

Nach eigenen Angaben sorgt die mit erhöhtem Aufwand verbundene Umstellung in der Abfallpolitik bei der BSR nicht für Geldnot. Schon vor zehn Jahren habe man finanziell die Weichen gestellt. Deswegen sei die Erhöhung der Müllgebühren Anfang des Jahres um durchschnittlich 14,4 Prozent auch gering ausgefallen. BSR-Sprecherin Thümler: „Viele Kommunen haben noch Probleme mit der Abwicklung der alten Deponien. Berlin hat die Vergangenheit bereits finanziert.“