vorsicht, rentner! von MANUEL KRONS
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Ich stehe am U-Bahnhof Französische Straße und plane gerade, mit dem Kauf eines „7-Tage-Tickets“ die Berliner Verkehrs-Gesellschaft zu sanieren. Da spricht mich plötzlich eine ältere Dame an. „Ja, ja, diese blöden Automaten“, seufzt die alte Frau komplizenhaft unter ihrem beigen Hut hervor. Obwohl ich ihre Einschätzung nicht teile, nicke ich freundlich.

„Brauchen Sie ein Wochen-Ticket?“, fragt die alte Dame und wedelt in ihrer rechten Hand mit einem gelb-grünen Fahrausweis herum. Das Timing überrascht mich dann doch. „Sie können meins haben, hab’ jetzt ’ne Monatskarte“, sagt die Alte, steckt das Ticket in den Entwerter und hält es mir hin.

Seltsamer Zufall. Ich spüre einen Anflug von Misstrauen. Doch schnell gewinnt der Geschäftssinn die Oberhand. Wer weiß, vielleicht kann ich so etwas Geld sparen! Außerdem muss ich daran denken, dass mir manchmal vorgeworfen wird, ich sei viel zu skeptisch. Warum sollte ich auch eine grauhaarige, ältere, beigebehütete Dame des Trickbetrugs verdächtigen?

Ich beschließe also, das günstige Ticket zu kaufen. Dennoch kann ich mir einen prüfenden Blick auf das kleinformatige Kärtchen nicht verkneifen, was zu meiner Scham auch die Alte bemerkt. „Das ist ein gaaanz normales Ticket“, sagt sie in vorwurfsvollem Ton und reißt dabei die alten Guckluken unschuldig auf. Na dann. Bevor ich mich noch mieser fühle, krame ich mein Geld hervor und kaufe das saubere Ticket zu einem vergleichsweise günstigen Preis. Ich drücke der Alten 20 Euro in die faltigen Fühler und haste in die wartende Bahn.

Als sich die Türen geschlossen haben, fährt mein Daumen zufällig über den frischen Entwertungsstempel auf dem Ticket. Ich fühle, dass das Papier unter dem Aufdruck merkwürdig aufgeraut ist. Offensichtlich hat jemand den vorherigen Stempel sorgfältig abgerubbelt. Schweiß bildet sich unter meiner atmungsaktiven Jacke. Ich stelle mir vor, wie die gar nicht so kleinkriminelle Oma in mühevoller Heimarbeit meinen Fahrschein mit einem Skalpell bearbeitet. Als sie fertig ist, hält sie ihn unter den schwachen Schein ihrer Schreibtischlampe und murmelt: „Die Rende ist sischäh.“

Guten Tag, die Fahrausweise bitte! Oh Gott. „Äh … ich weiß selbstverständlich, dass mein Ticket ungültig ist, aber wissen Sie, ich bin unschuldig, es wurde mir gerade von einer älteren Dame mit einem Hut in Beige verkauft und …“ – glücklicherweise bleibt mir diese Peinlichkeit erspart.

An der nächsten Haltestelle steige ich aus und eile in die wartende Bahn auf der Gegenseite. Zurück ist es nur eine Station. Hoffentlich erwische ich sie noch. Auf dem kurzen Weg zum Tatort bete ich, dass sich die gerissene Gichtansammlung noch nicht aus dem Staub machen konnte. Und tatsächlich: Vor einer Säule wartet die Alte auf ihr öffentliches Fluchtfahrzeug. Dann stehe ich ihr gegenüber. Wie zu erwarten war, freut sich die später stadtbekannte „Fälscher-Oma“ (Bild) ganz und gar nicht über unser Treffen. Äußerst kooperativ rückt sie meine 20 Steine heraus und stammelt nun etwas von „behilflich sein“. Doch dieses Mal lässt mich ihre auf Gebrechlichkeit gemünzte Mitleidsnummer kalt. Fälscher-Oma, schleich dich!