: Gefangene mit Kontakten
Die Frau suchte den Kontakt: Anfang der Achtzigerjahre vertraute sich das frühere RAF-Mitglied Verena Becker dem Verfassungsschutz an, sie verriet auch einiges über das Innenleben der Roten Armee Fraktion und über das Attentat auf den Generalbundesanwalt Siegfried Buback am 7. April 1977. So sei die Entscheidung über dessen Leben und Tod auf einer „Vollversammlung“ in einem niederländischen Badeort von der RAF quasi basisdemokratisch gefällt worden.
Becker nannte auch die Namen der Täter – der Geheimdienst schätzte ihre Angaben als seriös ein. Alle überprüfbaren Angaben hätten sich als richtig erwiesen. Beckers Initiative folgte einem schwer nachvollziehbarem Kalkül. Die in Köln einsitzende Frau wurde mehr als zwei Wochen vernommen. Zur Tarnung hieß es, sie sei schwer erkrankt in ein Krankenhaus verlegt worden. Die Inhaftierte will ihren Gesprächspartner nur das berichtet haben, von dem sie vermutete, dass es den Geheimen ohnehin bekannt war – weil andere geplaudert hätten. Als „Honorar“ spekulierte sie auf eine vorzeitige Haftentlassung, um dann möglichst bald den bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen. Zur Haftentlassung kam es aber nicht.
Beckers Kontakte waren einigen RAF-Gefangenen frühzeitig bekannt. Sie selbst hatte sie schließlich gebeichtet und als Sühne vorgeschlagen, sich umzubringen. Die GenossInnen lehnten ab, kappten aber rigoros jeden weiteren Kontakt.
Das war Anfang der 80er-Jahre. Michael Buback, Sohn des Getöteten und seit Jahren bemüht, den Mord aufzuklären, ist überzeugt, „dass es bereits unmittelbar nach der Tat, wenn nicht sogar schon zuvor eine Deckung für Verena Becker gegeben hat“. Er stützt seinen Verdacht unter anderem auf Akten der untergegangenen Staatssicherheit. In einem Bericht aus dem Jahr 1978 heißt es etwa: „Es liegen zuverlässige Informationen vor, wonach die B. seit 1972 von westdeutschen Abwehrorganen wegen der Zugehörigkeit zu terroristischen Gruppierungen bearbeitet bzw. unter Kontrolle gehalten wird.“
Becker wurde einen Monat nach dem Buback-Mord festgenommen. Wegen der Schießerei bei der Festnahme in Singen lautet das Urteil „lebenslang“. 1989 wurde Becker begnadigt.WOLFGANG GAST