: Slow essen, schnell schreiben
SLOW FOOD Die Bewegung für korrektes Futtern ist wie die taz-Genossenschaft vor 20 Jahren gegründet worden. Vergleich zweier Freiheitsideen
BERLIN taz | Als 1986 der Journalist Carlo Petrini in Rom dazu aufrief, gegen die Eröffnung einer Fleischklopsbude an der Piazza Navona Widerstand zu leisten, war die taz noch sechs Jahre von der Gründung der Genossenschaft entfernt. Petrini, kommunistischer Agitator und Betreiber eines Piratensenders, rief damit die Slow-Food-Bürgerbewegung ins Leben. In der taz begann das Nachdenken über die wirtschaftliche und organisatorische Zukunft der vierten Gewalt, die Zeitung wurde zugleich die sicher erfolgreichste Journalistenschule in der Geschichte der Republik.
Beide Initiativen haben einen hohen idealistischen Anteil. Die Gründung der taz war ein politischer Akt, das wird von ihren mehr als 11.000 EigentümerInnen weiterhin so verstanden. Das Ziel von 11.000 Slow-Food-Mitgliedern in Deutschland ist der gemeinwohlverträgliche Umgang mit der täglichen Ernährung – ein Alleinstellungsmerkmal in seiner organisierten Form. Allerdings gibt es einen großen Unterschied: Die internationalen Slow-Food-Organisation versucht die inhaltliche Richtung der Bewegung zu bestimmen, auch wenn die nationalen Organisationen rechtlich selbstständig sind. Die taz-Genossenschaft wird nicht von außen beeinflusst, sie existiert aus dem Verständnis ihrer Mitglieder von der selbst organisierten Freiheit.
Es gibt weitere Unterschiede. Dort die bürgerbewegte Slow-Food-Organisation unter der Führung des mittlerweile bei seinen Anhängern zur Kultfigur gewordenen ehemaligen Messdieners Petrini. Es ist eine Mischung zwischen individualisierten wirtschaftlichen Interessen und einer von der „Führung“ selbst gestrickten Machtstruktur, die durch eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten und eine reduzierte Einflussnahme der Basis in Gefahr ist, nur noch kadermäßig zu funktionieren. In der taz gilt Zuverlässigkeit und demokratische Legitimation, gesichert durch die Rechtsform. – Slow Food Deutschland, 1992 von einem Münchner Weinhändler als eingetragener Verein gegründet, versuchte sich von der italienische Mutter unabhängig zu machen.
Gut, sauber, fair
Die Verknüpfung besteht rechtlich nur in der Abführung von Lizenzgebühren für die Nutzung der Wort-Bild-Marke Slow Food und dem Aufwand für Personalgestellung, was einer jährlichen Subvention von knapp unter 150.000 Euro entspricht. Fast 80 Conviviens, wie die lokalen Gruppen genannt werden, tragen vor Ort ehrenamtlich die alltägliche Umsetzung der Vereinsziele unter dem Leitmotiv „Gut, sauber, fair“.
Während die taz-Genossenschaft pragmatisch, wirtschaftlich und finanziell transparent das Kerngeschäft der Meinungsbildung ausbaut, versucht der internationale Teil von Slow Food zu einer weltumspannend agierenden Entwicklungshilfeorganisation zu mutieren, die den nicht bescheidenen Namen Terra Madre trägt, auf Deutsch Mutter Erde.
So liegt wohl die größte Übereinstimmung der Mitglieder beider Vorhaben darin, mit dem Gründungsgedanken zufrieden zu sein: bei Slow Food Mitglied in einer Organisation zu sein, die ein gut gemachtes zweimonatliches Magazin frei Haus liefert, und sich vor Ort mit Gleichgesinnten auszutauschen – also ein nach deutschem Verständnis gutes Vereinsleben zu haben; bei der taz-Genossenschaft mit jedem gezeichneten und eingezahlten Anteil stabilisierend an einem Eckpfeiler der Meinungsfreiheit beteiligt zu sein.
Zu hoffen bleibt, dass beide Organisationen die größte anstehende Herausforderung inhaltlich und wirtschaftlich bewältigen: die Generationenfrage. Da hat die taz die Nase vorn: Genossenschaftsanteile sind vererbbar, Vereinsmitgliedschaften nicht.
■ Gert Behrens, 74, Steuerberater, Genosse seit 2011