Widerstand aus dem Untergrund

Jahrzehnte lang wurde ihnen die Anerkennung als Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Herrschaft verwehrt. Jetzt will Kölns Regierungspräsident Jürgen Roters die ermordeten Edelweißpiraten ehren

Von PASCAL BEUCKER

Ohne Prozess machten die Nazis mit ihnen kurzen Prozess. Als die Kölner Edelweißpiraten Bartholomäus „Barthel“ Schink und Günter Schwarz hingerichtet wurden, waren sie erst 16 Jahre alt, Gustav Bermel und Franz Rheinberger gerade 17. Über sechzig Jahre nach diesem Verbrechen will der Kölner Regierungspräsident Jürgen Roters den vier Jugendlichen jetzt endlich zuteil werden lassen, was auch seine Behörde ihnen so lange verweigert hat: ihre Anerkennung als Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime. „Es liegt mir am Herzen, dass gerade diese proletarisch geprägte Gruppe, die sich nie durch große Worte in Szene gesetzt hat, die Anerkennung erfährt, die ihr gebührt“, sagte Roters der taz.

Mit Schink, Schwarz, Bermel und Rheinberger waren am 10. November 1944 sieben weitere Mitglieder der „Ehrenfelder Gruppe“ in der Hüttenstraße öffentlich gehängt worden. Die Roters unterstellte Behörde, die Kölner Bezirksregierung, war seit den 50er Jahren für die skandalöse Ablehnung von Entschädigungszahlungen an Hinterbliebene verantwortlich.

Mehrere Gerichte bestätigten diese Entscheidung und stützten sich dabei auch maßgeblich auf Gestapo-Unterlagen, in denen die „Ehrenfelder Gruppe“ als gewöhnliche Kriminelle dargestellt waren. „Die Wiedergutmachungsstelle in der Bezirksregierung hat nach dem Krieg leider Aussagen der Gestapo vielfach höher bewertet als die von Verfolgten“, kritisiert Roters heute. Diese „wilden Jugendgruppen“, die „durch betont lässige Kleidung und Haltung allenthalben auffielen und Anstoß erregten“, legten „gegen alles, was irgendwie mit der HJ zu tun hatte, eine feindliche Einstellung an den Tag, was auch in ihren Liedern sowie in ihrem Verhalten gegenüber HJ-Angehörigen zum Ausdruck kam“, befand angewidert das Reichssicherheitshauptamt 1943 über die aus der Wandervogelbewegung heraus entstandenen Edelweißpiraten. Den Nazis galten die Mitglieder dieser Jugendgruppen, die besonders im Rheinland zahlreich waren, als „verlottert“, „sittlich verwahrlost“ und „kriminell“.

In Köln entschlossen sich einige Edelweißpiraten 1943, in die Illegalität zu gehen und Kontakt zur politischen Opposition aufzunehmen. Es bildete sich die „Ehrenfelder Gruppe“, die aus geflohenen Häftlingen, Zwangsarbeitern, Russen, Juden, Deserteuren und eben jugendlichen Edelweißpiraten bestand. Bis zu ihrer Zerschlagung versteckte die Gruppe geflohene Zwangsarbeiter und Deserteure, stahl zu ihrer Versorgung Lebensmittelmarken aus Verteilungsstellen und plünderte Versorgungszüge auf Güterbahnhöfen. Die Gruppe verbreitete Flugblätter – und sie verübte auch erfolgreich Sabotageakte sowie Anschläge auf Gestapo- und NS-Funktionäre.

Noch Ende der 80er Jahre kam ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Kreis um Schink, der seit 1988 in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt wird, zwar doch nicht unbedingt um Kriminelle, aber ebenso wenig um „auf hoher ethischer Gesinnung basierenden, aus politischem Verantwortungsbewusstsein gewachsenen Widerstand“ gehandelt habe.

Nun will der Kölner Regierungspräsident eine Neubewertung vornehmen. Denn für ihn steht nach intensivem Aktenstudium fest: „Bei den Edelweißpiraten und auch bei der ,Ehrenfelder Gruppe' handelte es sich meiner Meinung nach um Widerstandskämpfer.“ Und Roters will Schink, Schwarz, Bermel und Rheinberger auch offiziell würdigen. Für den 16. Juni hat er deswegen nun überlebende Edelweißpiraten ins Regierungspräsidium in der Zeughausstraße zu einem Festakt eingeladen.