„Als kapitalistisch verteufelt“

VORTRAG Ein Ökonom sagt, wie die Planwirtschaft der DDR hätte besser funktionieren können

■ 74, war Professor für Betriebswirtschaftslehre der Hochschule Bremen. Er rechnet sich zur Antikapitalistischen Linken der Linkspartei.

taz: Sie sprechen heute über die „Ware-Geld-Beziehungen“ in der DDR. Wollen Sie den Ruf der Planwirtschaft oder den der BWL retten, Herr Hundt?

Sönke Hundt: Es geht nicht um Ehrenrettung, sondern um die Verbindung zwischen diesen beiden Gebieten. Das ist bisher nicht diskutiert worden.

Warum ist das noch relevant, außer aus historischer Sicht?

Die DDR hat, zum Teil jedenfalls, aus einem Mangel an betriebswirtschaftlichem Instrumenten nicht gut funktioniert. Diese Erfahrungen wären für einen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ durchaus interessant.

Was kann der von der DDR noch lernen?

Zum Beispiel, dass in der Reformdiskussion der 60er Jahre marktwirtschaftliche Elemente und eine Verselbständigung der Betriebe propagiert wurden, so dass diese ihre Mittel hätten selbständig erwirtschaften und verwenden können. Das ist mit den Ware-Geld-Beziehungen gemeint, und das wäre genau das Feld der BWL gewesen.

Hätte die DDR auf die BWL gehört, wäre sie also nicht untergegangen?

Die Betriebswirtschaftslehre alleine hätte sie nicht retten können. Der historische Zusammenhang ist hier sehr interessant. Die BWL ist in ihrem eigenen Selbstverständnis nicht per se kapitalistisch, sondern versteht sich in großen Teilen als systemneutral. Produzieren und effektiv produzieren, das ist schließlich eine Grundfunktion in jedem Wirtschaftssystem.

Auch Lenin interessierte sich für die BWL.

Er hat seinerzeit die Neue Ökonomische Politik begründet, und dafür deutsche Betriebswirte wie etwa Eugen Schmalenbach eingeladen. Fast alle Werke der deutschen BWL sind damals ins Russische übersetzt worden. In der DDR unter Walter Ulbricht wurde sie dann aber als kapitalistisch verteufelt. Int.: Jan Zier

20 Uhr, Villa Ichon