: Vor dem Untergang noch in den Sicherheitsrat
Trotz Neuwahl betreibt Kanzler Schröder die Kampagne für den deutschen UN-Sitz weiter. CDU-Aussteiger Rühe hilft mit
BERLIN taz ■ Ungeachtet der innenpolitischen Diskussion um einen womöglich baldigen Regierungswechsel führt die Bundesregierung ihre Kampagne für einen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat unvermindert weiter. Das wurde am Mittwochabend bei einer Veranstaltung der American Academy in Berlin deutlich. In den nächsten Wochen würden die so genannten G-4-Staaten Indien, Brasilien, Japan und Deutschland eine Unterstützerliste für ihren Vorschlag der Reform des Sicherheitsrates vorlegen, sagte Bernd Mützelburg, der außenpolitische Berater des Bundeskanzlers. Dann werde man sehen, dass trotz der Kritik etwa Italiens auch etliche EU-Staaten den Vorschlag unterstützen würden.
Bislang scheint die Bundesregierung kein Problem damit zu haben, dass sich die CDU-Außenpolitiker bei der Unterstützung der deutschen Forderung mehr als zurückgehalten haben. Vizefraktionschef Wolfgang Schäuble hatte den Anspruch der Bundesregierung öffentlich als „Schritt in die falsche Richtung“ bezeichnet, andere hatten immerhin gesagt, es könne nicht schaden, wenn der Sitz käme. So kann sich die Bundesregierung derzeit nur der Unterstützung des ehemaligen Verteidigungsministers Volker Rühe sicher sein, der in den vergangenen Monaten weltweit unterwegs war, um die deutsche Kampagne mit voranzutreiben. Doch Rühe gilt in seiner Partei als ausgebootetes Merkel-Opfer und vertritt – etwa in der Frage des EU-Beitritts der Türkei – andere Positionen als die Kanzlerkandidatin.
Am Mittwoch war denn auch Volker Rühe in die American Academy geladen, die Ausführungen des Hauptredners Newt Gingrich zu kommentieren. Der ehemalige Sprecher der republikanischen Mehrheitsfraktion im US-Repräsentantenhaus leitet derzeit eine Arbeitsgruppe verschiedener außenpolitischer Think Tanks zum Thema UN-Reform und sollte deren Ergebnisse vorstellen. Die aber gibt es offensichtlich noch gar nicht. Zwar sind sich die Amerikaner einig, dass eine UN-Reform nötig ist. Doch haben sie sich bisher lediglich zu der Erkenntnis durchringen können, dass ein Sicherheitsrat, der noch heute die weltpolitische Lage von 1945 widerspiegelt, einer Erweiterung bedarf und dass Japan ihm angehören sollte. Volker Rühe sieht die USA damit in der Reformdynamik auf verlorenem Posten.
Aus Mangel an Konsens erläuterte Gingrich im Wesentlichen seine eigenen Ideen: Die UNO sollte mit Unterstützung der Nato ihre Fähigkeiten für Friedenseinsätze ausbauen. „Blauhelme müssen ein Synonym für Sieg werden“, sagte Gingrich und forderte ein Recht auf Intervention gegen „kriminelle Regierungen“.
In Bezug auf das alte UN-Ziel, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe zu verwenden, forderte Gingrich die Anrechnung auch nichtstaatlicher Hilfsleistungen wie etwa Spenden für Katastrophenhilfe auf dieses Ziel. Dem immerhin konnte Kanzlerberater Mützelburg doch einiges abgewinnen.
BERND PICKERT