: Experimente mit Strahlkraft
FREIES THEATER Lebhafte Brutstätte für innovatives Theater: Das Hildesheimer Festival „Freizeichen“ lädt zum Streifzug durch zwei Jahrzehnte Freies Theater in der Stadt
VON ROBERT MATTHIES
An Geld und all den anderen Notwendigkeiten mangelt es ihnen zumeist, an Ideen und der Leidenschaft und dem Mut, sie umzusetzen, ganz sicher nicht. Eine ungewöhnlich lebhafte Szene freier Theater ist in Hildesheim in den letzten 25 Jahren im Umfeld des Instituts für Medien und Theater entstanden, eine Brutstätte für innovatives Theater und interdisziplinäre Experimente mit überregionaler Strahlkraft.
Bis zum Sonntag lädt das Festival „Freizeichen“ des Vereins Theaterhaus Hildesheim, unter dessen Dach mehr als 30 Off-Ensembles vereint sind, zum Streifzug durch über zwei Jahrzehnte freies Theater in Südniedersachsen. Zu sehen sind dabei nicht nur aktuelle Produktionen, sondern auch zahlreiche Wiederaufnahmen, insgesamt elf Inszenierungen aus den letzten neun Jahren. Im Anschluss an die Vorführungen gibt es jeweils Publikumsgespräche.
Die Vergangenheit und Gegenwart der Hildesheimer Szene bringen auch die Spielorte des Festivals zusammen: Im Vier Linden fanden Ende der 80er die ersten Festivals der freien Szene statt, am Samstag wird hier der 22. Geburtstag des Theaterhauses gefeiert; die Kulturfabrik Löseke war in den 90ern der wichtigste Spielort der Freien; Ende der 90er zog man für zwei Jahre in den Treffpunkt am Ostertor, anschließend fand man im Theater für Niedersachsen Unterschlupf; seit Mitte der 2000er schließlich werden Theaterhaus, Weinsziehr und LitteraNova bespielt.
Eröffnet wird das Festival heute Abend in der Kulturfabrik Löseke mit dem tragikomischen Großstadt-Neurotiker-Panoptikum „Mein junges idiotisches Herz“, einer Eigenproduktion des Theaters Aspik. Das 1988 von Absolvent_innen der Kulturpädagogik der Uni gegründete Künstlerkollektiv um Regisseur Uli Jäckle gehört zu den ältesten und erfolgreichsten freien Ensembles der Stadt.
Aber nicht nur Vergangenheit und Gegenwart freien Theaters stehen auf dem Programm, sondern auch dessen Zukunft: auf drei Podien diskutiert die „Off Akademie“ die „Geländetauglichkeit“ – welche Wege haben Protagonist_innen der freien Szene durch die Theaterlandschaften und -institutionen genommen –, den „Verbrauch“ – welche Zukunft haben die Theaterförderung und die damit zusammenhängende Künstlerexistenz – und den „Drehmoment“ – was brennt dem Nachwuchs unter den Nägeln?
Und auch der Nachwuchs des Nachwuchses kommt auf seine Kosten: am Sonntag gehört der „schauSpielPlatz“ vor dem Theaterhaus dem Kindertheater.
■ Hildesheim: Do, 19. 4. bis So, 22. 4., diverse Spielorte, Infos und Programm: freizeichen.theaterhaus-hildesheim.de