: Wie früher, nur voller
Sabine Christiansen talkt, Stefan Aust steht daneben: So sieht der große Sat.1-Politikwurf aus
Es ist am Sonntagabend fast wie damals: Sabine Christiansen im weißen Jäckchen, Oskar Lafontaine redet sich ein bisschen in Rage – nur Hans Eichel ist nicht da. Macht nichts. Schließlich geht es auch nicht um „Christiansen“ und den Exbundesfinanzminister. Sondern um die vorübergehende Erinnerung des Privatsenders Sat.1 daran, dass es auch so was wie Politik und Diskussion darüber gibt. Vorübergehend deshalb, weil „Ihre Wahl: Die Sat.1 Arena“ nur mit fünf Ausgaben in der Zeit vor den Bundestagswahlen läuft.
Doch wahrscheinlich muss man schon zufrieden sein, dass sich Sat.1 wenigstens vor Wahlen noch an alte Zeiten erinnert, als der Sender lange vor den Öffentlich-Rechtlichen die mainstreamtaugliche Polittalkshow mit dem Format „Talk im Turm“ erfunden hatte. Wohl deshalb ist der Mann, der die Sendung 1999 beerdigt hatte, auch jetzt Christiansens Komoderator: Stefan Aust wirkt aber wie damals furchtbar blass, lässt sich Zeit zum Nachdenken – und kommt so nicht wirklich zu Wort.
Überhaupt ist das Ganze arg überfrachtet mit neuen Ideen, von denen einige dummerweise richtig gut sind: Da nehmen sich Christiansen und Aust erst mal für rund 20 Minuten den Wirtschaftsminister zu Guttenberg vor. Klasse, viel besser und – zumindest theoretisch – erkenntnisreicher als die Großschwafelrunden bei Will, Illner & Co. Doch statt hartem Kreuzverhör gibt’s eher matte Fragen („Wer zahlt die Zeche?“), und als der smarte Polit-Star doch einmal in die Ecke gedrängt ist, macht das starre Sendungskonzept einen Strich durch die Rechnung: Bei den Fragen zu dem aus seinem Ministerium durchgesickerten neoliberalen Industriepolitik-Konzept sieht zu Guttenberg zwar richtig alt aus. Doch da müssen Christiansen und Aust schon zum nächsten Thema hetzen, Richtung Werbeblock.
Auch die Einbeziehung von Webcambotschaften, Twitter und SMS ist breiter als bei ARD und ZDF – aber viel zu holprig in die Sendung eingebaut.
Oskar Lafontaine kommt nach der Werbepause, verkündet in bester alter Talkshowmanier gebetsmühlenartig sein auf Linke-Positionen gestricktes „Leistung muss sich wieder lohnen“, und spätestens da wähnt man sich wieder bei „Christiansen“. Weshalb der Spott, der sich angesichts mauer Einschaltquoten („Vier Prozent, nicht mal eine Million Zuschauer! Will hatte in der ARD 3,2 Millionen!) über Sat.1 ergießt, natürlich nicht verwundern kann.
Allerdings ist er auch ein bisschen wohlfeil. Denn die Macher der „Wahl-Arena“ haben gucken lassen, wozu sie fähig werden, wenn man sie ließe. Mit nur fünf Ausgaben und dem Anspruch, es gleich allen Konkurrenzformaten zu zeigen, konnte das nur schiefgehen. Da werden dann alle neuen Ideen in eins gerührt und überfrachten sich gegenseitig: Einzelgespräch, Betroffeneninterviews, halbwegs interaktive Beteiligung des Publikums, Einspielfilmchen. Alles gut, alles richtig – zusammen verbreitet das aber Hektik. Weniger wäre wie so oft mehr gewesen.
Wenn allerdings solch ein Format öfter, am besten natürlich immer, auf Sat.1 laufen würde, könnte sich vielleicht sogar das Publikum wieder dran gewöhnen. Für Traumquoten würde das auch dann nicht sorgen. Aber immerhin die Menschen politisch grundversorgen, die ARD und ZDF längst den Rücken gekehrt haben. STEFFEN GRIMBERG