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Archiv-Artikel

Der steinige Weg durch die Mitte

BESTECHUNG Eine „Beraterfirma“ konnte gegen Geld Doktoranden in die Promotion schleusen. Das zeigt nur, wo deutsche Unis schwächeln – nämlich im Mittelbau

Die Gewerkschaft Ver.di spricht gar vom einem „wissenschaftlichen Prekariat“

VON NICOLE JANZ

Mindestens 100 Professoren in ganz Deutschland sollen für Geld Promotionskandidaten angenommen haben. Viele Kandidaten hatten sich den Zugang zum Doktortitel über eine Wissenschaftsberatungsfirma erkauft, weil sie vielleicht mit schlechten Examensnoten selbst keinen Doktorvater gefunden hätten. Nun ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft. Ein Skandal? Natürlich – Bestechung ist illegal. Doch vor allem fällt auf, dass Forscher, für die Reputation entscheidend ist, tatsächlich ihre Karriere für Summen wie 4.000 Euro gefährden.

Doch die bestechlichen Wissenschaftler waren eben nicht sogenannte ordentliche Professoren mit unbefristeter Stelle und eigenen Mitteln, sondern in der Regel Aushilfsprofessoren und Privatdozenten oder Honorarprofessoren. Diese haben meist keine feste Hochschulstelle, dafür aber viel Stress mit Lehraufträgen und Examenskandidaten. Viele hoffen von Jahr zu Jahr darauf, dass sie irgendwann auf eine „echte“ Professur berufen werden. Bis dahin müssen sich auf Institutsgrillfeiern beliebt machen, bekommen graue Haare und schlechte Augen, schreiben jahre- oder jahrzehntelang an ihren Habilitationen und bekommen wenig Geld. Sie hängen im Mittelbau der großen akademischen Pyramide fest.

Ein wenig attraktiver Arbeitsplatz. Hier tummelt sich alles „unter“ dem ordentlichen Professor: wissenschaftliche Mitarbeiter, Privatdozenten, Wissenschaftler mit Lehraufträgen. Die Gewerkschaft Ver.di sprach im Februar bei der Vorstellung einer Studie gar über den Mittelbau als „wissenschaftliches Prekariat“. Die Arbeitszeit von Nachwuchswissenschaftlern sei wesentlich länger als vertraglich vereinbart, und es gebe kaum Unterstützungsangebote für die zukünftige Karriereplanung – das alles führe zu Orientierungslosigkeit nach einem erfolgreichen Promotionsabschluss.

Ein deutscher Historiker hat sogar kürzlich beim Lunch heftig seinen Kopf geschüttelt und eindringlich betont, dass er keinem Studenten eine Wissenschaftskarriere in Deutschland empfehlen kann. „Haben Sie sich das gut überlegt, wissen Sie, was da auf Sie zukommt?“, fragt er junge Promotionswillige oft. „An deutschen Unis hängt man ewig im Mittelbau fest, alle sind nur frustriert“. Man solle ins Ausland gehen, nach England oder Amerika. Braindrain also. „Deutsche Unis bieten keine Zukunft.“

Der deutschlandabgeneigte Historiker ist ins Ausland gegangen und hat jetzt eine Stelle in Nordengland – wo er bleiben will.

Andere Wissenschaftler hält es trotzdem in Deutschland, aber nicht nur in typischen Unikarrieren. Eine junge Wirtschaftswissenschaftlerin Mitte Dreißig berichtet, dass sie mit ihrem Job an einem Berliner Forschungsinstitut viel besser dasteht als an der Uni. Sie kann forschen, muss nicht lehren und hat keine Verwaltungsaufgaben, die sonst gern auf den Mittelbau abgewälzt werden. Die Fleiß- und Durchhaltearbeit unterhalb der Ebene der ordentlichen Professoren schreckt sie ab. „Ich will mehr Freiheiten,“ sagt sie.

Die promotionswilligen Kandidaten, die eine Betreuung erkaufen wollten, haben das lähmende Unisystem offenbar durchschaut. Es ist nicht anzunehmen, dass die Mehrheit unter ihnen eine Dissertation schreiben wollte, um eine Lücke in der Forschung zu schließen – wie es oft so schön in Bewerbungsexposés heißt.

Abgesehen von der persönlichen Eitelkeit, die ein Doktortitel auf dem amtlichen Personalausweis bedient, können nicht nur Beamte, Manager oder Ingenieure ihr Gehalt durch eine Promotion immens aufbessern. Eine Universitätskarriere wäre in Anbetracht dessen eine fast lächerliche Option.

Schade, dass genau diejenigen in den Unis, die im Mittelbau für wenig Lohn Forschung betreiben, den eitlen Titeljägern gegen Bestechung den gleichen Status zugänglich machten.