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Archiv-Artikel

Akten ohne Einsicht

Das Amtsgeheimnis: Auf Bundesebene ist das preußische Relikt seit gestern Geschichte, und auch im rot-roten Mecklenburg-Vorpommern rüttelt man daran. CDU-Länder halten sich aber lieber bedeckt

von Daniel Wiese

Es geht um Berge von Papier, noch eigentlicher aber geht es um die Demokratie. „Es gehört zu unserem Demokratieverständnis, dass der Staat grundsätzlich Akteneinsicht gewähren muss“, sagt Dieter Hüsgen von Transparency Deutschland.

Akteneinsicht, darum geht es. Nicht um den durchsichtigen Bürger, sondern um den durchsichtigen Staat. Seit langem fordert Transparency ein „Akteneinsichtsgesetz“, das regelt, dass jeder Bürger Einblick nehmen kann, ob er nun betroffen ist oder nicht. Der Feind der Akteneinsicht ist das Amtsgeheimnis. „Dass wir aus preußischen Zeiten das Amtsgeheimnis haben, passt nicht in die politische Landschaft“, findet Hüsgen.

Er ist mit dieser Meinung nicht allein. Gestern beschloss der Bundestag das so genannte „Informationsfreiheitsgesetz“, das die freie Akteneinsicht gewährleisten soll. Weil es sich nur auf Bundesbehörden bezieht, muss der Bundesrat nicht zustimmen. Blockieren kann er allerdings immer noch. Auch deshalb braucht es nun auf Länder-Ebene Extra-Initiativen. So hat in Mecklenburg-Vorpommern die Gabi Mestan (PDS) die Einführung der Informationsfreiheit gefordert. Ein „durchsetzbarer allgemeiner Rechtsanspruch für alle Bürgerinnen und Bürger“ müsse her, so die Landtagsabgeordnete.

Tatsächlich ist Deutschland eines der wenigen europäischen Länder, die ein solches Gesetz noch nicht verabschiedet haben. Malta und Zypern wären noch zu nennen. Und Luxemburg. In den USA gibt es das „Freedom of Information Act“ seit dem Watergate Skandal. Aufgrund dieses Gesetzes musste die FBI ihre Protokolle über das Häftlingslager Guantánamo offen legen, die kürzlich Aufsehen erregten.

Noch weiter zurück sind die deutschen Bundesländer. Nur in vieren ist überhaupt ein Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet worden, das erste davon in Schleswig-Holstein nach der Barschel-Affäre. Niedersachsen, Hamburg und Bremen stehen noch ohne da. Und ob Mecklenburg-Vorpommern sich durchringen kann? Innenminister Gottfried Timm (SPD) jedenfalls winkte schon mal ab. In Mecklenburg-Vorpommern sei Akteneinsicht nichts, wonach die Bürger fragen. „Es gibt dafür keinen Bedarf“, bestätigt sein Sprecher Klaus Engemann. Die bestehenden Regelungen würden ausreichen. Außerdem, behauptet er, wäre „der Aufwand für die Behörden überproportional“. Komisch, wo’s doch keine Nachfrage gibt.

Unklar ist die Haltung im Hamburger CDU-Senat: „Die zuständigen Behörden bilden sich gerade eine Meinung dazu“, heißt es aus dem Rathaus. Allerdings hat der Senat kürzlich erst das Akteneinsichtsrecht der Abgeordneten beschränkt. Bislang sind dort, wo es kein Informationsfreiheitsgesetz gibt, die Behörden nur gegenüber Journalisten auskunftspflichtig. Eine Monopolstellung, die nicht verteidigt wird: So setzt sich auch das „Netzwerk Recherche“, ein Zusammenschluss investigativer Journalisten, vehement für das Gesetz ein. „Es macht einen großen Unterschied, ob ich mündlich Auskunft bekomme oder die Akten im Original einsehe“, sagt Manfred Redelfs vom Netzwerk. Bisher bestimmen die Behörden selbst, wie sie ihrer Auskunftspflicht nachkommen: Auch da lebt er noch, der gute alte Obrigkeitsstaat.