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Archiv-Artikel

Eine Kugel Leberwurst, bitte

LECKEREI Italienisches Eis ist Leonardo Caprareses Leidenschaft. Und er schreckt nicht vor ungewöhnlichen Zutaten zurück, um auch Extrawünsche tierischer Kunden zu erfüllen

VON KATHRIN OTTO

Mit einer kleinen Schaufel in der Hand steht Leonardo Caprarese vor dem Arbeitstresen und schippt weißes Pulver aus einem Eimer in eine große Rührschüssel. Unter seiner weißen Kappe schauen schulterlange schwarze Haare hervor, sein weißer Kittel trägt den Schriftzug „Gelateria Italiana“ – das Logo seiner fünf Eiscafés im Bremer Umland. Der 51-Jährige vermischt das Pulver, dessen genaue Zusammensetzung nur er alleine kennt, mit einem kleinen Schluck Milch, mehreren Litern Wasser und mit zwei mittelgroßen Leberwürsten.

Caprarese produziert gerade Eis für seine Kunden mit dem etwas anderen Geschmack und dem empfindlicheren Magen: für Hunde. Die fertige Mischung für das Leberwursteis füllt er in eine seiner drei Eismaschinen. Auch wenn die Maschinen nach jedem Herstellungsprozess gründlich gereinigt werden, fertigt er das Hundeeis doch lieber separat an.

Die Idee zu dem Hundeeis kam dem gebürtigen Italiener vor knapp vier Jahren. In Stuhr-Heiligenrode, einem 2.700-Seelen-Dorf bei Bremen, wo Caprarese wohnt und eine Eisdiele betreibt, gehen viele Menschen aus der Gegend mit ihren Hunden spazieren. Immer wieder fragten ihn Hundebesitzer nach zuckerfreiem Eis für ihre Vierbeiner. Damit konnte der gelernte Koch aber nicht dienen, da so etwas – Diäten hin oder her – nur den wenigsten Menschen schmecken würde.

Um alle Kunden restlos zufriedenzustellen, musste also ein spezielles Eis für Hunde her. Mit einem befreundeten Tierarzt besprach er, worauf er dabei achten müsse. Kein Zucker sollte das Eis enthalten und nur sehr wenig Milch, außerdem mischte Caprarese Proteine und Vitamine unter – das weiße Pulver aus dem Eimer.

Nach einigem Herumprobieren gelang es ihm, ein Eis herzustellen, das auch ohne Sahne und Zucker cremig war und nicht zerbröselte. „Aber es hat nach nichts geschmeckt, da fehlte irgendwas“, sagt Caprarese. Also habe er weiter herumprobiert und als erstes kam Puteneis heraus. „Und dann auch Rind – das war ein Renner.“

Caprarese bietet immer nur eine Sorte Hundeeis zur Zeit an. Für den Puten- oder Rindfleisch-Geschmack nutzte er Aromastoffe. Für das Käseeis nahm er dann echten Käse, aber das lief bei seiner vierbeinigen Kundschaft nicht so gut. Seit dem vergangenen Jahr produziert er vorwiegend Leberwursteis – mit Erfolg und echter Leberwurst. „Leberwurst bekomme ich einfach nicht von der Karte“, sagt der 51-Jährige und lacht. „Ich wollte im letzten Jahr mal wechseln, aber das geht nicht, da haben die Leute gleich protestiert.“

Caprareses größter und regelmäßigster Kunde ist eine Hundeschule in der Nähe. Dorthin liefert er fast jede Woche eine große Box Hundeeis, das die Tiere nach der Trainingsstunde als Belohnung bekommen. Aber immer nur eine Kugel. „Die Hunde würden auch eine zweite Kugel fressen, aber das wird zu kalt. Sie sollen das ja nicht wieder auskotzen“, sagt Caprarese. Auch wenn er selbst keinen Hund hat, kennt er sich inzwischen doch sehr gut mit den Tieren und vor allem mit ihrem Eisverzehr aus. Serviert wird sein Eis in einer kleinen muschelförmigen Waffel, die die Hunde gleich mitfressen können.

Als er mit dem Hundeeis-Experiment anfing, hätten ihn einige Leute für verrückt erklärt, sagt Caprarese. Dabei konnte er schon 2006 zur WM mit einem Biereis kleine Erfolge feiern. Inzwischen werde das Hundeeis aber sehr gut angenommen, in drei seiner Eisdielen steht es auf der Karte. Mit 20 Litern pro Woche ist die Produktionsmenge trotzdem recht gering, vom normalen Speiseeis produziert er zu Spitzenzeiten 800 bis 1.000 Liter täglich.

Mit kritischem Blick prüft Caprarese ein letztes Mal die Konsistenz der hellrosa Masse in der Eismaschine. Sie muss jetzt noch schockgefroren und wieder auf 16 Grad heruntergekühlt werden, dann bringt er die volle Schale ins Eiscafé. Auch wenn das Leberwursteis hygienisch unbedenklich und für Menschen verträglich ist, lagert er es in einer Extratruhe – es riecht eben doch ein wenig speziell.

Ein Mann aus der Nachbarschaft betritt mit seinem braunen Labrador Nero das Eiscafé. Für sich kauft er zwei Kugeln Eis, vor seinem Vierbeiner stellt er eine Waffel mit einer Kugel Leberwursteis auf den Boden. Da steht es jedoch nicht lange, so eigen wie Neros Eisgeschmack ist auch seine Art, es zu genießen: Nach nur einem Bissen hängt ihm nur noch ein kleiner Rest der Waffel aus dem Maul. Mit einem Lächeln zieht Leonardo Caprarese seinen weißen Kittel aus – wieder hat er zwei seiner Kunden glücklich gemacht.